Die Welt neu sehen, Silvia Chytil

Seit fast 9 Monaten ernähre ich mich ausschließlich vegan. Es ist mir passiert. Im Februar dieses Jahres verkündete mein Sohn, er würde sich jetzt einen Monat lang vegan ernähren. Da dachte ich mir: Das ist interessant, das probiere ich auch aus. Nun, mein Sohn hat nach bereits einer Woche die Flinte ins Korn geworfen. Ich bin dabeigeblieben und ich liebe es.

Schon immer habe ich gerne gegessen und auch gerne gekocht. Nur mit einem Male fielen viele Lebensmittel weg, die davor auf meinem täglichen Speiseplan standen. Also stellte ich mir die große Frage: Was essen Veganer? Und wie kochen sie, damit es wirklich gut schmeckt. Ich wollte ja nicht den Rest meines kulinarischen Lebens mit öden, langweiligen und eintönigen Mahlzeiten verbringen.

Also kaufte ich mir diverse Kochbücher, las Blogs und legte mir Kochkurse zu. Ich lernte viele neue Nahrungsmittel kennen, deren Namen ich davor noch nie gehört hatte (oder kennst du als Nicht-Veganer Tempeh? Übrigens, super schmackhaft – kann ich jedem nur empfehlen, den mal auszuprobieren.)

Was ich aber vor allem lernte, war Folgendes: Das Um und Auf eines guten Essens ist die richtige Gewürzmischung.

Eigentlich logisch – nur war mir das bei meiner herkömmlichen Kochweise nicht so bewusst. Die optimale Würzmischung ist natürlich nicht nur in der veganen Küche wichtig. Stell dir ein Schnitzel ohne Salz vor – langweilig. Oder eine Sauce Bolognese ohne deftige Gewürze – ungenießbar. Oder ein Chili ohne einer mehr oder weniger scharfen Note – nicht vorstellbar.

Gutes, geschmackvolles Essen hängt also von den richtigen Gewürzen ab. Ohne diese schmecken sie neutral, langweilig und auch eintönig. Wie ich würze, hängt von meinen eigenen Vorlieben und natürlich dem Gericht ab. Eher deftig oder leicht süßlich, sehr scharf oder ganz mild, eine Spur säuerlich oder ein wenig bitter. Das alles schaffe ich mit den richtigen Gewürzen und Zutaten.

Was hat das nun mit deinem Stress zu tun?

Dazu machen wir einen Sidestep und schauen uns Stress etwas genauer an.

Auf Wikipedia steht: Stress (engl. für ‚Druck, Anspannung‘; lat. stringere[1] ‚anspannen‘) bezeichnet zum einen durch spezifische äußere Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physische Reaktionen bei Lebewesen, die zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen, und zum anderen die dadurch entstehende körperliche und geistige Belastung.

Und hier haben wir schon das allergrößte Missverständnis überhaupt: Stress … bezeichnet einen durch spezifische äußere Reize

Das ist NICHT wahr!

Stress wird NICHT durch äußere Reize erzeugt. Niemals!

Und das ist wirklich ganz wichtig, dass du das für dich erkennst, weil du sonst aus dieser Spirale niemals herauskommst.

Aber sehen wir uns an einem einfachen, alltäglichen Beispiel an, warum das nicht stimmen kann. Warum unser Stresslevel nicht von äußeren Reizen abhängig sein kann.

Das Beispiel:

Drei Autofahrer stehen im Stau. Das Ereignis (der äußere Reiz) ist für alle dasselbe – die Autokolonne bewegt sich nur sehr zögerlich weiter.

Autofahrer 1 macht sich Sorgen, dass er zu einem wichtigen Kunden-Termin zu spät kommt. Er flucht laut vor sich hin, hupt und beschimpft andere Autofahrer. Er ist gestresst und nervös und blickt alle paar Minuten auf die Uhr.

Autofahrer 2 begrüßt den Stau, denn vor ihm liegt eine unangenehme Aussprache und er hofft damit, diese Tortur so lange wie möglich hinausschieben zu können.

Autofahrer 3 fährt ebenfalls zu einem wichtigen Termin, weiß allerdings, dass er die Wartezeit durch Schimpfen nicht verkürzen kann und hört sich stattdessen eine interessante Sendung im Radio an.

Ein äußerlicher Reiz – drei unterschiedliche Reaktionen und damit auch dreimal unterschiedliches Erleben der Situation.

Oder nehmen wir den Kontostand.

Es gibt Zeiten, an denen ein niedriger Kontostand stresst und gehörigen Druck ausübt. Dann gibt es wiederum Zeiten, an denen das leere Bankkonto keinerlei Reaktionen auslöst.

Oder Kinder: Manchmal nerven sie, manchmal nicht.

Oder der/die PartnerIn, die KundInnen, die MitarbeiterInnen, die NachbarInnen oder was auch immer dich stresst. Manchmal stresst es und manchmal nicht.

Wie kann es sein, dass ein und derselbe äußere Reiz manchmal Stress erzeugt und manchmal nicht?

Wäre es der äußere Reiz, dann müsste er doch immer stressen, oder etwa nicht? Das leere Bankkonto müsste immer stressen, ganz gleich was wir gerade tun. Der Stau müsste immer stressen, ganz gleich wie eilig wir es haben.

Halte hier kurz inne und prüfe es selbst nach.

Was stresst dich immer wieder? Geld, Familie, KundInnen, deine eigene Leistung. Hol dir eine Situation in Gedanken herbei.

Stresst es dich immer? Also wirklich immer, immer, immer. Zu jeder Tages- und Nachtzeit, ganz gleich was du gerade tust. Oder stresst es dich nur manchmal?

Vermutlich hängen dein Erleben und deine Reaktion auch von der Stimmung ab, in der du dich gerade befindest. In guter Stimmung stresst es dich wenig bis gar nicht – da lachst du vielleicht sogar darüber, in schlechter Stimmung regt es dich dafür umso heftiger auf.

Und wie kann es auch sein, dass dich etwas stresst, obwohl der äußerliche Reiz gerade gar nicht unmittelbar vor dir steht. Also zum Beispiel in der Nacht? Oder jetzt gerade, wenn du es dir in Erinnerung rufst.

Wäre es der äußere Reiz, der Stress in dir auslöst,

  • dann müsste er es immer tun, ganz gleich, ob du in guter Stimmung bist oder nicht,
  • und auch ganz gleich, ob du daran denkst oder nicht.
  • Und auch nur dann, wenn es gerade passiert, also nicht etwa in der Nacht oder im Urlaub, wenn du weit weg vom sogenannten Stressor bist.

Tatsächlich tritt Stress nur unter einer einzigen Bedingung auf:

Wenn du über einen äußerlichen Reiz negativ denkst und diese Gedanken dadurch Stress in dir auslösen.

  • Bist du in guter Stimmung, kommen wenige bis keine negativen Gedanken auf und somit entsteht in dir kein Stress.
  • Denkst du nicht daran, entsteht kein Stress in dir.
  • Denkst du allerdings in der Nacht daran, entsteht auch dann Stress, obwohl die Situation (der äußerliche Reiz) gar nicht unmittelbar auf dich einwirken kann.

Prüfe es jetzt nach und prüfe es auch in Zukunft immer wieder nach, bis du es wirklich für dich erkannt hast. Ist es der äußerliche Reiz, der dich stresst oder sind es deine Gedanken darüber?

Aber ist es nicht egal, was stresst?

Nun denkst du vielleicht: Ist ja egal, ob es der äußere Reiz ist oder tatsächlich nur meine Gedanken dazu. Es stresst und ich will das nicht.

Das stimmt wohl, denn Stress ist ein sehr unangenehmes Gefühl und ist außerdem noch wahnsinnig anstrengend für den Organismus. Also ist es wichtig, unserem System nicht allzu viel davon zuzuführen.

Nur damit kein (oder weniger) Stress auftaucht, ist es so ungeheuer wichtig zu erkennen, woher dieser überhaupt kommt. Denn das Teuflische ist, (und das ist der Trick, den uns unser Verstand) dass wir, solange wir nicht erkennen, was wir tun und nicht mitbekommen, was da abläuft, wir immer in die falsche Richtung blicken und an den falschen Schrauben drehen.

Lass uns jetzt zurück zum Kochen gehen.

Stell dir vor du kochst etwas und es schmeckt total versalzen. Du denkst dir, das Grundnahrungsmittel ist wohl viel zu salzig und in Zukunft kaufst du eines von einem anderen Produzenten. Allerdings schmeckt auch das wieder total versalzen. OK, denkst du – dieses Nahrungsmittel schmeckt immer zu salzig, das kaufe ich nicht mehr und wechsle stattdessen zu einem anderen Produkt. Du bist voller Erwartung, freust dich auf das Essen – und wieder … total versalzen!

Irgendwann stellst du fest – ganz gleich, was du kochst, alles schmeckt versalzen. Nun kommst du zu dem Schluss, es muss wohl an dir liegen, du bist eine unfähige, schlechte Köchin oder schlechter Koch, du bist dafür nicht geschaffen – und lässt es bleiben. In Zukunft kaufst du ausschließlich Fertigprodukte – denn die anderen können offenbar besser kochen, als du.

Was wäre aber, …

Was wäre aber, wenn du plötzlich feststellst, dass du, jedes Mal, wenn du kochst, einen gehäuften Esslöffel Salz zu deinem Essen schmeißt, ganz gleich, um welche Speise es sich handelt. Dass es weder am Nahrungsmittel noch am Produkt oder Produzenten liegt. Sondern an deiner übertriebenen Beigabe von Salz.

Würdest du dann noch immer das Produkt wechseln oder ganz zu kochen aufhören?

Oder aber würdest du nicht einfach weniger Salz zu den Speisen geben, nämlich genauso viel, dass es für dich genießbar ist?

Hier eine einfache Formel dazu:

Beim Kochen:

Nahrungsmittel + Gewürze = Geschmack

Im alltäglichen Leben

Äußerer Reiz + Gedanken = Erlebnis/Aktion/Reaktion/Verhalten

Ein Ereignis, eine Situation, ein Mensch – wird zu einem positiven oder negativen Erlebnis für dich, je nachdem mit welchen Gedanken du sie würzt.

Das wirklich Wunderbare ist, sobald du für dich erkennst, dass du der Koch oder die Köchin deiner Erlebnisse bist, kannst du jede Situation so würzen, wie du gerade möchtest. Und vermutlich wirst du sie nur noch so veredeln, dass sie für dich schmackhaft und genussvoll sind.

Und ja, manchmal erwischst du ein wenig zu viel Salz beim Kochen. Beim nächsten Mal nimmst du wieder weniger.

Und ja, du wirst auch in Zukunft hin und wieder Stress verspüren und du wirst glauben, dass die Person oder die Situation schuld daran sind. Ja, das wird vorkommen, weil wir Menschen so funktionieren.

Nur jetzt weißt du, wie die Gewürzmischung zustande kommt ?.

Alles Liebe