Auch wenn wir gerne glauben, dass wir nur das tun, was wir wollen und was wir für richtig halten, stellen wir doch immer wieder fest, dass eine scheinbar unsichtbare Kraft am Werk ist und wir Opfer unserer tiefsitzenden Glaubenssätze werden.

Vor einigen Tagen habe ich von einer Leserin eine Frage erhalten: „Wie kann ich hindernde Glaubenssätze aufspüren?“

Ja, liebe Barbara, das ist eine sehr gute Frage :-). Und ich nehme sie auch sehr gerne auf.

Ein Glaubenssatz alleine bringt dich nicht ans Ziel

Vielleicht kennst du das. Du hast einen Glaubenssatz (durch Zufall) erspürt, denkst dir – Jawohl, jetzt wird alles anders. Und stellst nach kurzer Zeit enttäuscht fest, dass sich gar nichts oder nicht sehr viel geändert hat. Du hast zwar diesen einen Glaubenssatz erkannt und auch vielleicht bearbeitet und gar aufgelöst. Aber der Durchbruch war das nicht.

Der Grund ist, dass wir eigentlich ein Paralleluniversum mit uns spazieren führen. Ein Paralleluniversum, das so weitläufig und unerforscht ist, wie das Universum, in dem wir leben. Diese zweite Welt stellt unsere innere Wahrheit dar. Es zeigt auf, woran wir glauben, wie wir denken, was wir für richtig und was für falsch erachten.

Bereits Sigmund Freud hat als Metapher unserer Persönlichkeit den Eisberg verwendet. Und dieses Bild wurde weiter von Edgar Schein, aber auch von Paul Watzlawick, benutzt. Es zeigt auf, dass nur die Eisbergspitze sichtbar und für uns im Bewusstsein ist, der größte Teil liegt aber unter der Wasseroberfläche im Verborgenen. Manche Schätzungen liegen bei 20% zu 80%.

Aber ganz gleich ob 70, 80 oder 90 Prozent im Unbewussten liegen, es ist in jedem Fall eine Menge.

Eisberg

Wie Glaubenssätze entstehen

Die Glaubenssätze sind das Gerüst, das uns Sicherheit und Halt gibt.

Nur woher kommt dieses Gerüst?

Eine sehr sichere Quelle sind unsere Eltern, nächsten Bezugspersonen, Lehrer. Sie sagten uns von klein auf, was „richtig“ und „falsch“ ist. Sie selbst bringen auch ihre Geschichte mit und geben sie teils bewusst, aber auch zu einem sehr großen Teil unbewusst, an uns weiter.

Ein Beispiel: Bei vielen Familien ist heute noch zu beobachten, dass immer alles zusammen gegessen wird, was auf den Teller kommt. Diese Vorgehensweise ist verständlich, wenn man im Krieg aufgewachsen ist und regelmäßige Mahlzeiten eine Seltenheit war. Heute aber leben wir im Überfluss. Trotzdem halten sich viele Menschen unbewusst an die Denkweise früherer Generationen. Was früher durchaus Sinn machte, hat in einer Zeit in der wir ein Überangebot haben, keine Notwendigkeit mehr.

Ein anderer Ursprung unserer Glaubenssätze ist die Kultur und sind die Werte, mit denen wir aufwachsen. Bei uns ist es üblich, dass wir uns mit Handschlag oder Wangenkuss begrüßen. Für uns ganz normal. Wir verschwenden keinen Gedanken daran. In einem anderen Kulturkreis absolut verpönt.

Wir nehmen Verhaltensweisen und Glaubenssätze wie selbstverständlich, sie laufen automatisiert ab und bilden ein starres Gerüst. Dieses Gerüst leistet in vielen Fällen gute Dienste. Es zeigt uns, wie wir uns verhalten sollen und gibt uns Sicherheit.

Nur eben sind manche Ansätze mit der Zeit nicht mehr relevant und manchmal behindern sie uns sogar in unserem Weiterkommen.

Für freie Sicht musst du den ganzen Baum fällen

Ein anderes Bild, das ich auch bei meinen Kundinnen gerne verwende, ist das eines Baumes. Ein Baum besteht aus Wurzeln, einem Stamm, Ästen, Blätter, Früchten.

Wenn dir ein großer Baum die Sicht vor deinem Fenster nimmt, dann reicht es nicht, wenn du nur einen Ast herausschneidest. Da wird sich vermutlich nichts Weltbewegendes tun. Wenn du wirklich freie Sicht auf alles haben möchtest, dann gehört der ganze Baum weg. Und das klingt dann gleich nicht mehr so einfach, sondern nach viel Arbeit.

Genauso verhält es sich mit unseren Glaubenssätzen. Einen Satz zu entlarven und diesen aufzulösen, bringt uns gar nicht oder nur kaum weiter. Wir müssen uns um das gesamte Gerüst oder Paralleluniversum kümmern. Denn sie sind unser dichtes Gewebe aus Glaubenssätzen, Annahmen und Denkweisen.

Wie du deine Glaubenssätze erkennst

Wenn du dir nun einen alten Baum mit tiefen Wurzeln vorstellst, wird schnell klar, dass eine simple, kleine Schaufel nicht ausreichen wird, um ihn aus dem Boden zu heben. Und es erklärt, warum wir uns zwar an den Ästen zu schaffen machen, wir damit jedoch keinerlei befriedigende Ergebnisse erreichen.

Wollen wir unser gesamtes Glaubensgerüst aufspüren und eine tatsächliche Veränderung herbeiführen, dann heißt es tief graben und viel Geduld haben :-).

 

Aber – ich habe eine gute Nachricht für dich. Es ist möglich! :-).

Ich habe dir drei Übungen zusammengestellt, mit denen du dich deinem Paralleluniversum annähern und deine tiefsitzenden Glaubenssätze erkennen kannst.

1. An was glaubst du?

Ein Weg, wie du an die Wurzeln kommst, ist heraus zu finden, was du über bestimmte Vorgänge, Umstände oder Ereignisse glaubst. Wie stehst du dazu, welche Meinung vertrittst du?

Dazu kannst du mit jedem beliebigen Wort beginnen. Nehmen wir das Wort Geld. Was denkst du über Geld? Geld verdirbt den Charakter. Geld allein macht auch nicht glücklich. Geld ist die Wurzel allen Übels …

Was denkst du über Erfolg?

Über Beziehungen?

Über die Sonne?

Über Nachbarn?

Über Fleisch?

Über Alkohol?

Diese Übung kannst du mit jedem beliebigen Wort machen. Schreibe dir auf, was dir spontan als erster Gedanke kommt. Nicht abwiegen, sondern den ersten aufblitzenden Gedanken nehmen und festhalten.

Wenn du das eine Weile machst, mit vielen verschiedenen Begriffen und es aufschreibst (!) bekommst du eine große Palette deiner Glaubenssätze und ein gutes Bild deines Paralleluniversums.

2. Frage deine Umgebung

Da wir spontan und unbewusst agieren und reagieren, ist es für uns sehr schwer unsere eigenen Glaubenssätze zu erforschen. Viel leichter fällt es da schon unserer Umgebung, uns zu analysieren. Denn ihre Gedankengänge und Glaubenssätze unterscheiden sich in vielen Fällen von unseren eigenen. Daher werden sie eher aufmerksam, wenn es Abweichungen zu ihrem Glauben und Verhalten gibt.

Diese Übung kannst du sowohl mit dir sehr nahestehenden Personen machen, als auch mit weiter entfernteren. Frage sie, wie sie dich beschreiben würden. Was sie glauben, was dir wichtig ist. Was sie meinen, wie du zu Geld, Erfolg, etc. stehst.

Wahrscheinlich wirst du bei manchen Antworten sehr überrascht sein und vielleicht antworten wollen „Nein, so bin ich ja gar nicht.“  :-). Vermeide diesen Impuls und nimm dir zuerst die Antworten ohne zu beurteilen. Prüfe dann allerdings in Ruhe, ob sie wirklich eine Beschreibung deiner Person und deiner Verhaltensweisen sein könnten. Oder ob sich nicht doch der eine oder andere Glaubenssatz der befragten Person eingeschlichen haben könnte.

3. Schreibe die Geschichte deines Lebens

Das ist eine wundervolle Übung. Sie braucht etwas Zeit, bringt dich aber ganz tief an deine Wurzeln. Ich habe vor einigen Jahren diese Übung gemacht und sie war eine der Gründe, warum ich den Mut fassen konnte, mich selbstständig zu machen.

Gehe dein gesamtes Leben durch. Beginne mit deinem Stammbaum. Welche Berufe wurden/werden in deiner Familie üblicherweise ausgeübt? Welche Hobbys wurden gepflegt? Welche Stellung hatten/haben die Frauen in der Familie? Was hält man in deiner Familie von Menschen, die sich selbst verwirklichen?

Geh weiter zu deiner Geschichte. Wo und wie bist du aufgewachsen? Welche wichtigen Entscheidungen hast du getroffen? Und warum?

Ganz gleich welche der 3 Übungen du machst (oder vielleicht alle drei), wirklich gut ist es und wirklich nahe bist du, wenn es weh tut. Wenn du aufhören möchtest. Wenn du sagst, das ist doch alles Quatsch. Schaffst du es hier durch zu halten und den Schmerz auszuhalten, dann wirst du ganz sicher sehr bald belohnt. Denn dann bist du schon ganz nahe am Kern.

Fazit:

Glaubenssätze sind nicht notwendigerweise negativ. Sie geben uns Sicherheit und Halt und leisten uns lange gute Dienste. Problematisch werden sie erst, wenn sie uns im Weg stehen, uns an unserer Entwicklung behindern und sich überlebt haben. Vielleicht sogar wirklich schädigend für uns geworden sind. Dann wird es Zeit zu graben und zu forschen. Das ist zwar keine Angelegenheit, die in einer halben Stunde erledigt ist, sie lohnt sich aber allemal.

Also Ärmel hochgekrempelt und ran an die Arbeit!  :-)

Viel Spaß und Erfolg bei den Übungen.

Silvia

P.S. Schreibe mir, ob und welche Übung du machen wirst. Oder kennst du noch ein weitere Möglichkeiten das Paralleluniversum zu erforschen? Welche Wege bist du schon gegangen, um deine Glaubenssätze zu erkennen? Welche Erfahrungen und Erlebnisse hattest du?