Aus unterschiedlichen Studien geht hervor, dass wir ca. 20.000 Entscheidungen pro Tag treffen. Ungefähr 90 % davon treffen wir, ohne lange darüber nachzudenken.
Und dann gibt es jene, bei denen wir hin und her überlegen, uns mit anderen Menschen austauschen, eine Wahl treffen, diese wieder verwerfen, zögern, unsicher werden und dann entweder gar keine Entscheidung treffen oder eine, die wir nachher bereuen. Warum ist das so?
Meine Kundin Simone ist seit über 10 Jahren selbstständig. Sie selbst und auch andere Menschen würden sie als sehr zielstrebig und durchsetzungsstark bezeichnen. Vorige Woche kam sie in eine Coaching-Sitzung, ziemlich aufgewühlt und übermüdet. Sie hatte die halbe Nacht kein Auge zugemacht, weil sie ständig über ein Angebot aus den USA nachdenken musste. Sie könnte dort ein 2-wöchiges Seminar abhalten, mit einem der ganz Großen aus ihrer Branche. Im Prinzip etwas, wovon sie immer geträumt hatte. Jetzt kam das Angebot. Aber anstatt ohne nachzudenken, einfach JA zu schreien, zögerte sie und erbat sich Bedenkzeit.
Sie war wohl über sich selbst am meisten überrascht, denn sie verstand ihr Zögern nicht. War es nicht genau das, was sie sich immer gewünscht hatte? Hatte sie nicht ihre ganze Karriere lang genau auf so eine Möglichkeit hingearbeitet?
Ja, das hatte sie. Warum griff sie dann nicht zu?
Angst hemmt unsere Entscheidungsfreude
Wir gingen tiefer und sehr bald wurde klar, warum sie so zögerlich war. Es stellte sich heraus, dass sie riesige Angst hatte, die Sache zu vermasseln. Was, wenn sie sich blamieren und sie danach nie wieder zu einem großen Event eingeladen werden würde? Was, wenn sie eigentlich gar nicht so gut ist und dort auf der Bühne komplett fehl am Platz ist? Was, wenn sie nicht genug Wissen hatte, um ein 2-wöchiges Seminar zu halten?
Das kommt dir vielleicht bekannt vor, denn wir alle haben hin und wieder solche Gedanken. Zweifeln an uns und unserem Können. Und diese Zweifel und Ängste werden größer, je wichtiger uns das Ereignis erscheint.
Den Großteil unserer Entscheidungen treffen wir, ohne darüber nachzudenken, weil sie unwichtig sind oder wir genau wissen, was wir zu tun haben.
Aber dann gibt es jene Entscheidungen, bei denen wir grübeln, Pro und Contra-Listen aufstellen und uns aufführen, als ob unser Leben davon abhängen würde.
Simone hatte tatsächlich Angst, ihr (berufliches) Leben hänge von diesem einzigen Termin ab. Sie hatte Angst um ihren Ruf. Angst ihren Expertenstatus zu verlieren. Angst, ihre jahrelange Arbeit würde mit einem Schlag zunichte gemacht werden.
Nur woher kommt diese Angst? Denn rational erklärbar war sie definitiv nicht. Meine Kundin wusste ganz genau, dass das alles durch einen kurzen Auftritt nicht passieren konnte. Dafür hatte sie viel zu viel Wissen und war schon zu lange im Business. Und trotzdem hatte diese Angst sie so fest im Griff, dass sie in eine Schockstarre verfiel. Sie fühlte sich unbeweglich und unfähig einen Schritt zu machen.
Was wir über Angst wissen müssen
Angst ist ein uralter Mechanismus in unserem Gehirn. Die Angst ist unsere innere Alarmanlage, die hochgeht, sobald Gefahr droht. Ein sehr nützliches Tool, denn es verhindert, dass wir uns blindlings in eine Schlucht stürzen oder den sinnlosen Kampf mit einem Tiger aufnehmen. Angst will uns tatsächlich vor dem sicheren Tod schützen. So weit so gut.
Was passiert aber, wenn ich mir den Tiger nur vorstelle? Er also nur meiner Fantasie entspringt? Genau – ich werde trotzdem in Panik geraten. Werde zusammenzucken, mein ganzer Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt und die Hormonausschüttung läuft auf Hochtouren. Ich werde entweder fliehen oder kämpfen wollen und es wird sich sehr unangenehm anfühlen.
Was wir denken, fühlen wir. Stellen wir uns katastrophale Dinge vor, zum Beispiel, dass wir durch einen einzigen Auftritt unsere gesamte Existenz verlieren könnten, dann reagiert unser System auf diese Vorstellung. Angst, Schweißausbrüche, schneller Atem etc. sind die Folge.
Was wir dabei erkennen müssen: Unsere Angst bezieht sich aber dann auf unsere Vorstellung und nicht auf das eigentliche Ereignis!
Die Vorstellung, dass alles schiefläuft, hielt Simone im Würgegriff. Sie könnte auch ganz andere Gedankenzu den Ereignis haben und würde sich damit anders fühlen. Zum Beispiel könnte sie denken, dass dieser Auftritt ein weiterer Durchbruch ihrer Karriere wäre und dass diesem Seminar noch viele andere folgen würden. Wie würde sie sich dann fühlen? Vermutlich energetisiert, voller Vorfreude und sie könnte die Abreise wohl kaum erwarten.
4 Fakten über Angst:
- Angst ist keine Wahrsage-Maschine. Angst ist ein automatisierter, konditionierter Vorgang, der uns mitteilt, was wir gerade denken. Nicht mehr und nicht weniger.
- Angst reagiert immer auf unsere Gedanken im Moment. Entweder steht der Tiger tatsächlich vor uns, was uns naturgemäß in Panik versetzen würde (außer wir sind Tiger-Dompteure, dann hätten wir keine ängstlichen Gedanken dazu!).
Oder der Tiger sitzt jetzt gerade in unserem Kopf. Was uns zwar auch in Panik versetzt, aber wir nur von einer Fantasie in die Irre geführt werden, - Angst unterscheidet nicht zwischen unserer Vorstellung und dem, was tatsächlich passiert. Die Reaktion auf den Tiger in unserer Vorstellung UND auf den Tiger, der tatsächlich vor uns steht, ist ident. Unser System kann nicht unterscheiden.
- Angst ist nichts Persönliches. Ja, es fühlt sich SEHR persönlich an. Aber die Angst, die in dem Moment entsteht, weiß nichts von dir, deinen Umständen, deinem Vorhaben. Es ist Energie, die durch uns fließt und das Gehirn reagiert mit Muskelkontraktionen, Hormonausschüttungen, Körperspannungen. Und diese Reaktionen verflüchtigen sich genauso schnell, wie sie entstanden sind.
Angst ist keine Wahrsage-Maschine.
Wenn du das erkennst, hast du schon viel gewonnen.
Entscheidungen ohne Angst treffen
Wenn wir diese Fakten erkennen, dann können wir uns erneut mit der Entscheidungsfindung befassen. Dann haben wir vielleicht trotzdem noch ein mulmiges Gefühl, weil wir ja nicht wissen, was tatsächlich passiert, aber wir lassen uns nicht mehr von unseren eigenen Gedanken erschrecken.
Bei Simone war es nach dieser Erkenntnis nur mehr ein kleiner Sprung. Als ihr klar wurde, dass sie sich die ganze Zeit Horrorszenarien vorstellte und sie sich DESHALB ängstigte und so schlecht fühlte, war die Entscheidung klar: Sie würde die Einladung annehmen und in die USA fliegen. Und wenn doch Angst auftauchen würde, würde sie einmal tief durchatmen und diese vorbeiziehen lassen.
Sobald wir erkennen, was Angst tatsächlich ist – ein Gedanke bzw. Energie, die durch uns fließt – dann können wir diese hinter uns lassen. Wir brauchen sie nicht bearbeiten oder loswerden. Wir sehen an der Angst vorbei und erkennen, was wir tatsächlich wollen. Wir spüren dann wieder die Freude und Begeisterung, die wir für ein Projekt haben, wir nutzen Möglichkeiten, wenn sie sich uns zeigen und wir bleiben uns selbst treu. Und wir können frei und mutig entscheiden.
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