Im Buch „Die Welt ohne uns“ wagt Alan Weisman ein kühnes Gedankenexperiment. Was würde passieren, wenn wir Menschen von heute auf morgen von dieser Erde verschwinden? Erstaunlicherweise benötigt es gar nicht so viel Zeit, bis sich die Natur ihren Lebensraum zurückerobert. Die New Yorker U-Bahn zum Beispiel wäre innerhalb weniger Tage überflutet, weil derzeit mehr als 700 Pumpen tagtäglich literweise Wasser aus den unterirdischen Gängen absaugen. New York ist auf Flüssen gebaut, welche nur mit viel Kraftanstrengung von ihrem natürlichen Lauf abgehalten werden können.
Aber auch Bäume, Gräser und andere Pflanzen würden sich innerhalb kürzester Zeit ihren Weg durch unsere Bauten aus Beton, Eisen oder Glas bahnen.
Jeder, der einen Garten hat, kann davon ein leidvolles Lied singen. Unliebsame Pflanzen, von uns gerne als Unkraut bezeichnet, überwuchern Land, das wir gerne frei davon hätten. Es ist ein steter und oft aufreibender Kampf, einen Rasen ohne Naturblumen und Moos zu erhalten, das Blumenbeet frei von Schlingpflanzen, Klee und sonstigem Gewächs oder einen kleinen Teich frei von Algen.
Stellen wir uns jetzt kurz vor, der Garten ist dein Inneres. Auf der einen Seite möchtest du ein Beet voll blühender Ideen, wunderschöner Gedanken und fruchtbaren Verhaltensweise. Auf der anderen Seite wuchern jedoch zerstörerische Gedanken, unliebsames Verhalten und Gewohnheiten, die du gerne ablegen möchtest. Ein ständiger Kampf tobt zwischen diesen beiden Fronten.
Wir tragen in uns ein ziemlich klares Konzept (ein Gedanken-Gerüst) spazieren, wie Erfolg, Produktivität oder Effizienz auszusehen hat. Um das zu erreichen, müssen wir uns von unserem Unkraut befreien. In unserem Fall sind das unsere schlechten Gewohnheiten, fehlende Disziplin oder zu wenig Durchhaltevermögen. Dazu lernen wir Techniken und Tools, legen uns To-do-Listen und Pläne zurecht und bekämpfen aufkeimende Inspiration mit fragwürdigen Regeln.
Der innere Konflikt
Jetzt ist natürlich nichts gegen einen kurzgeschnittenen, feinen Rasen einzuwenden. Auf einem Golfplatz macht das zweifellos Sinn. Aber auf der Liegewiese, auf der Kinder tollen und Menschen im Grünen auf einer Decke ihr Buch lesen wollen?
Beobachten wir Menschen, dann lassen sich zwei Antriebskräfte erkennen. Auf der einen Seite treibt uns unser natürliches, inneres Wachstum, unsere speziellen Vorlieben und tiefsten Überzeugungen in eine Richtung. Wenn wir dem folgen, dann sind wir in unserem Element, wir können unser ganzes Potenzial entfalten und sind unser bestes Selbst. Wir sind sehr produktiv.
Auf der anderen Seite tragen wir konditionierte und angelernte Verhaltensweisen und Glaubensmuster in uns, die wir aus Erziehung, Schule und Gesellschaft mitbekommen haben.
Solange diese beiden Komponenten übereinstimmen, läuft alles wunderbar. Wehe aber, wenn das, was wir tun und das, was wir glauben tun zu müssen, konkurrieren. Dann geraten wir in einen inneren Konflikt. Denn unser Kopf treibt uns in die eine Richtung und unser Herz in die entgegengesetzte.
Nur noch das tun, was ich möchte?
Wenn ich meinen Kunden empfehle, vor allem ihrer Begeisterung zu folgen, dann höre ich oft: „Ja, aber ich kann doch nicht nur das tun, was ich möchte?“
Meine Gegen-Frage ist immer: „Warum nicht?“ Warum glauben wir, dass wir nicht das tun können, was wir tun wollen? Weil zuerst die Arbeit kommt und dann das Vergnügen? Weil wir uns anstrengen müssen, um wirklich was zu erreichen? Wir viel Zeit investieren müssen, um erfolgreich sein zu können?
Viele haben Angst, dass sie nur noch vor dem Fernseher hocken oder faul in der Sonne liegen würden, sollten sie es wagen sich komplett ihrer Leidenschaft hinzugeben.
Ich kann dir jedoch versichern, dass das nicht der Fall sein wird. Ja, es kann sein, dass du weniger tust. Vor allem von jenen Dingen, zu denen du dich jetzt zwingen musst. Und ja, es kann sein, dass du anfänglich etwas orientierungslos herumläufst und nicht weißt, was du tun sollst.
Aber das ist nur eine vorübergehende Phase. Der Grund, warum wir anfänglich ziellos herumirren, ist sehr simpel: Wir wissen gar nicht mehr, was wir wirklich tun wollen. Wir sind angefüllt mit „ich soll“ und „ich muss“, dass das „ich will“ überhaupt keinen Platz mehr findet.
Wir tragen so sehr das Konzept „Erfolg muss anstrengend sein“ in uns, dass wir meinen, überall einen Golfrasen anlegen zu müssen, obwohl die Blumenwiese viel sinnvoller und produktiver wäre.
Auf Level 8–10 arbeiten
Wenn wir unserer inneren Stimme, unserem inneren Antrieb und innerem Drang folgen, dann erhöhen wir mit einem Schlag unsere Produktivität um ein Vielfaches. Wir sind nämlich wirklich großartig und produktiv, wenn wir auf einem hohem Inspirationslevel arbeiten.
Solltest du gerade nicht wissen, was du tun möchtest oder ob du die vor dir liegende Aufgabe wirklich willst, dann beantworte folgende Frage: Auf einer Skala von 1 bis 10, wie sehr möchtest du das jetzt tun?
10 bedeutet: Ja, ich kann es gar nicht erwarten, endlich zu starten.
1 bedeutet: Bleib mir bloß weg damit.
Nimm kein „na ja, aber ich sollte …“ in deine Bewertung auf, sondern die erste Zahl, die dir in den Sinn kommt, zählt. Aus dem Gefühl heraus.
Sollte deine Ziffer zwischen 1 und 4 liegen, dann lege die Arbeit gleich wieder zur Seite! Es ergibt keinen Sinn sich jetzt damit zu beschäftigen. Du bist mit den Gedanken woanders, dir fehlen vielleicht noch Informationen oder aber du siehst den Sinn darin nicht. Auf diesem Level zu arbeiten ist mühsam, anstrengend und du erbringst definitiv keine gute Leistung.
Auf einem Level von 5 bis 7 sind wir – na ja, ganz O. K… Wir erledigen die Arbeit, weil sie getan gehört.
Befindest du dich jedoch auf einem Level zwischen 8 und 10, dann leg einfach los. Auf dieser Stufe hauen wir Dinge mit Leichtigkeit raus, wir brauchen keine Techniken, keine Tools. Es fließt einfach. Wir sind im Flow.
In der Studie des Forschers Marcus Buckingham über Menschen, die über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren einen konstanten positiven Beitrag für ihre Bereiche geleistet hatten, stellte der Unternehmensberater und Bestseller-Autor fest, dass das einzige gemeinsame Element für den dauerhaften persönlichen Erfolg diese war: Sie haben herausgefunden, was sie nicht gerne tun, und haben aufgehört, es zu tun.
Warum ist die 10 so wichtig? Weil wir als UnternehmerInnen hinter unserem Business, unseren Produkten und uns selbst zu 100 % stehen müssen. Es wird viel über Authentizität gesprochen. Authentisch kann ich nur sein, wenn ich von dem, was ich tue, voll und ganz überzeugt bin. Sobald ich ein unangenehmes Gefühl habe, transportiere ich diese Schwingungen in die Außenwelt. Ich verhalte mich unsicher, befinde mich unter Druck und schwanke in meinen Entscheidungen.
Zu erkennen, was du nicht tun möchtest (auch wenn irgendjemand meint, es wäre eine so großartige Idee) und dieses weglässt, mag im ersten Schritt Verwirrung und Leere erzeugen. Aber nur kurz. Denn während du Dinge, die du nicht tun möchtest, weglässt, hast du sehr viel Zeit herauszufinden, was du eigentlich tun möchtest.
Deine Produktivität steigerst du nicht, wenn du nach Wegen suchst, wie du dich zu unliebsamen Dingen (Level 1–4) zwingst. Du steigerst sie, indem du das findest, wofür du brennst. Wenn du jene Pflanzen findest, die in dir wachsen und gedeihen wollen. Wenn du dich auf Level 8–10 befindest.
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