Emotional aufgewühlt by Silvia Chytil

Emotional aus dem Gleichgewicht zu geraten, stellt uns immer wieder vor eine Herausforderung. Wir fühlen uns unsicher, inkompetent, ungeliebt. Wir haben das Gefühl, uns nirgends mehr anhalten zu können. Und klar – wir wollen so schnell wie möglich wieder festen Boden unter den Füßen. Bevor wir das allerdings erreichen, sollten wir zuerst mal ganz hoch in die Luft steigen. Warum es so wichtig ist, immer wieder in die Vogelperspektive zu wechseln, zeige ich dir hier.

Vor einiger Zeit beschrieb eine Kollegin eine Situation, die sie emotional sehr aufwühlte. Eine ihrer Kundinnen kaufte nach Abschluss der gemeinsamen Arbeit, eine weitere Dienstleistung, jedoch bei einer „Konkurrentin“. Auf deren Webseite hinterließ die Kundin eine Referenz, in der sie die Arbeit lobte.

An sich nichts Besonderes. Bei meiner Kollegin allerdings läuteten alle Alarmglocken, als sie die Referenz las. Sie las sie als eine direkte Attacke auf ihr Können und dementsprechend ging in ihr ein emotionales Gewitter nieder. Neben der Tatsache, dass sie sich wahnsinnig über die Wortmeldung geärgert hatte, liefen noch ganz andere Filme in ihr ab. Sie zweifelte plötzlich an ihrem Können, wollte alles hinschmeißen, sah keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit. 

Du kennst das ganz sich auch von dir. Kritik von außen, ein verlorener Kunde, ein Streit mit dem Partner. Das alles sind Gründe, die uns aus der Bahn werfen und unsere Gefühle Ringelspiel fahren lassen

Manche Menschen oder Umstände sind prädestiniert dafür, bei uns jene Knöpfe zu drücken, die uns verunsichern oder ängstigen. Und schon fühlen wir uns, als ob wir uns auf einer emotionalen Talfahrt befinden. 

Wenn wir den Boden unter den Füßen verlieren

Menschen, die sich einem instabilen Gefühlszustand befinden, beschreiben es oft, als hätten sie keinen klaren Verstand mehr. In ihrem Kopf schwirren Gedanken herum, oft genug drehen sie sich damit im Kreis. Die inneren Gewitterwolken bauschen sich immer höher auf, die Sicht auf die Außenwelt (und auch Innenwelt) scheint vernebelt.

Mit den aufwühlenden Gedanken gehen negative Gefühle einher. Ängste, Sorgen bis hin zu körperlichen Auswirkungen wie Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit können eine Folge sein.

Alles dreht sich nur noch um diese eine Sache. Wir suchen nach Lösungen, Erklärungen, zweifeln an uns und der Umwelt. Möchten nur noch flüchten, setzen zum Angriff an oder verkriechen uns.

Wenn wir emotional verunsichert sind, dann gleicht es dem Schweben in einem luftleeren Raum. Wir haben nichts mehr, an dem wir uns festhalten können. Alles scheint sich aufzulösen. Haben wir vor kurzem noch an etwas geglaubt – an uns, an ein Projekt, an eine Idee – im Zustand emotionalen Stresses löst sich das alles in Luft auf. 

Klarerweise wollen wir diesem „In-der-Luft-hängen-Zustand“ schnellstmöglich beenden. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen erhalten, das ist unser Anliegen. 

Zuerst mal kräftig abheben

Damit es jedoch dazu kommt, sollten wir zuerst mal noch weiter abheben. Ganz hoch hinauf. Dem Drang widerstehen, alles festzuhalten und erst mal loslassen. Sich in den Schwebezustand begeben und in die Vogelperspektive wechseln. 

Wenn wir erst mal eine Weile ganz oben schweben, losgelöst von allem, dann erst merken wir, dass unser Zustand gar nicht so festgefahren und negativ ist, wie wir denken.

Was bringt uns die Vogelperspektive?

1. In der Vogelperspektive nimmst du Dinge nicht mehr so persönlich

 Wie bei meiner Kollegin, die am liebsten alles hingeschmissen hätte, weil zwar die Konkurrentin, sie aber keine positive Referenz erhielt, passiert es uns immer wieder, dass wir Gegebenheiten, die rund um uns passieren, zu persönlich nehmen. 

Wir beschäftigen uns tagtäglich mit unserem Business und unserem Leben. Kein Wunder also, dass wir unsere Umgebung genau betrachten. Läuft alles rund? Bin ich auf einem guten Weg? Sind alle zufrieden mit mir?

Ein Satz, eine Reaktion und plötzlich steht unsere Welt Kopf. Wir fühlen uns attackiert oder ungerecht behandelt und schon sehen wir rot. 

Geraten wir in diesen Zustand, können wir nicht mehr klar denken. Wir fühlen uns von äußeren Umständen persönlich angegriffen, die eigentlich gar nichts mit uns zu tun haben. Unsere Wahrnehmung vernebelt sich und wir können Situationen nicht mehr richtig einschätzen. Wir laufen dann eher wie ein aufgescheuchtes Huhn umher und irren orientierungslos in der Gegend herum. An Produktivität ist in diesem Fall nicht mehr zu denken.

Sobald wir allerdings ein paar Schritte zurücktreten und die Perspektive wechseln, stellen wir fest, dass das was wir so persönlich genommen haben, in den seltensten Fällen tatsächlich etwas mit uns zu tun hat. Vielmehr haben wir uns eine Geschichte im Kopf zusammengebraut, die nicht der Realität entspricht. Sondern einzig und alleine unserer Phantasie entspringt.

Denn eines ist klar: Eine vermeintliche Kritik an dir, sagt in jedem Fall viel mehr, über die kritische Person aus, als über dich. Um das allerdings zu erkennen und von Selbstvorwürfen frei zu werden, lohnt es sich zuerst mal, in die Vogelperspektive zu wechseln. 

2. Die Vogelperspektive ermöglicht es dir neue Wege zu erkennen

Hast du schon einmal einen Vogel im Standschwebflug beobachtet? Der Vogel fliegt hoch in die Luft und bleibt in seiner Position ganz ruhig. So kann er das ganze Spektrum übersehen und startet erst zum Sinkflug, wenn er seine Beute erblickt hat.

Flöge er weiter unten, er würde kaum eine Beute ausmachen. Was früher oder später seinen sicheren Tod bedeuten würde.

Befinden wir uns in unserem Alltags-Geschäft, dann gleichen wir auch oft dem Vogel, der viel zu tief fliegt. Wir sehen nur das, was geradewegs vor uns ist und machen das, was wir immer schon getan haben. Andere Möglichkeiten erspähen wir nicht.

Das ist auch gut so, solange alles reibungslos läuft. Was aber, wenn wir das Gefühl haben, festzustecken? Oder meinen in eine Sackgasse zu laufen? Keine Auswege mehr erkennen können?

Denn hilft uns der Weg, den wir immer gegangen sind, nichts mehr. Dann müssen Alternativen her. 

Nur wie sehen, wenn wir bis zu den Knöcheln in unserem eigenen Sumpf stecken?

Wieder heißt es abheben. Hoch in die Luft gehen und es dem Vogel gleichtun. Den Blick weiten und nach Möglichkeiten Ausschau halten. Denn erst aus der Distanz zeigen sich uns Wege und Alternativen, wo wir vorher keine entdeckt haben. 

3. In der Vogelperspektive siehst du das große Ganze 

 Warst du schon einmal im Empire State Building? Oder einem anderen hohen Gebäude? Die Aussicht von oben ist gigantisch. 

Unser Bewusstsein können wir uns wie den Aufzug dieser Gebäude vorstellen, der uns laufend hinauf und hinunterführt. 

Befinden wir uns im Erdgeschoss ist unsere Wahrnehmung eingeschränkt und wir sehen nur jene Dinge, die sich unmittelbar vor unserer Nase befinden. Manche Angelegenheiten wirken im untersten Stockwerk so überdimensional und erdrückend, dass sie uns regelrecht Angst machen. Sei es zu wenig Umsatz oder zu wenig Kunden oder zu wenig Anerkennung. 

Diese Umstände erscheinen uns so real, dass wir uns gefangen fühlen, keinen Ausweg sehen und das Gefühl haben, in unserem Leid zu versinken.

Fahren wir jedoch mit unserem Bewusstseins-Aufzug Stock um Stock höher, klärt sich unsere Sicht. Stelle dir nur die wunderbare Sicht vor, die du von oben hast. Plötzlich werden Dinge, die uns am Boden bedrohlich groß vorgekommen sind, ganz klein und unwirklich. Und gar nicht mehr so furchteinflößend.

Der Ärger, den wir auf eine Person hatten, verschwindet. Die Angst, nicht gut genug zu sein, löst sich in Luft auf. Die Sorge vor der Zukunft zeigt sich als reine Phantasie. 

Aus der Vogelperspektive erhalten wir den Blick auf das große Ganze, sehen die Schönheit unseres gesamten Wirkens. Wir sehen was wirklich ist und lassen uns durch äußere Umstände nicht mehr aus der Fassung bringen. 

Klare Gedanken

Hoch in die Luft gehen und die Vogelperspektive einnehmen, klärt unsere Gedanken. Mit klarem Verstand sehen wir, dass wir einer Illusion aufgesessen sind. Wir sehen, dass nicht die Außenwelt an unserem Gefühlszustand schuld war, sondern, dass wir uns selbst mit einer Oscarreifen Filmvorführung in einen Strudel emotionaler Wirrungen manipuliert haben.

Wenn du also das nächste Mal in einem emotionalen Wirbel gerätst, dann stelle dir vor, wie du, gleich einem Vogel, langsam, Meter um Meter in die Luft aufsteigst. 

Sieh dir die Welt von oben an. Lass dir Zeit. Blicke dich um. Genieße die Aussicht. Kehre erst wieder auf die Erde zurück, wenn du eine klare Sichtweise auf die Ereignisse erhalten hast und du stabil genug bist, um dich der Welt wieder in deiner vollen Pracht zu zeigen. 

Hab Spaß, bleib neugierig und flieg hoch in die Lüfte.

P.S. Was tust du, wenn du emotional aufgewühlt bist? Gelingt es dir, in die Vogelperspektive zu wechseln? Welche Erfahrungen hast du damit? Hinterlasse einen Kommentar unter dem Artikel. Ich freue mich, von dir zu lesen