Gerade hatte ich ein Gespräch mit einer lieben Freundin und Kollegin Claudia Kauscheder. Sie erzählte mir, dass sie sich manchmal einfach bewusst entscheidet, etwas zu tun oder eben nicht. Zum Beispiel ihren wöchentlichen Newsletter eine Woche auszulassen. Daraus ergab sich ein Gespräch darüber, inwieweit wir denn bewusst entscheiden können, was wir tun oder bleiben lassen.
Könnten wir ganz bewusst entscheiden, dann wäre es ja ziemlich einfach. Ich entscheide mich regelmäßig Sport zu betreiben und tue es dann auch. Ich entscheide mich wöchentlich einen Blog-Artikel zu schreiben und schon setze ich mich hin und schreibe. Ich entscheide mich nicht mehr in Panik zu verfallen, wenn mein Konto einen Tiefstand anzeigt und schon lässt mich ein Minus völlig kalt.
Wenn es denn so einfach wäre ?. Denn oft genug würden wir uns gerne für ein anderes Verhalten oder eine andere Denkweise entscheiden, es gelingt uns aber nicht.
Warum nicht?
Alternativen müssen gleichwertig sein
Um uns bewusst für oder gegen etwas entscheiden zu können, müssen beide Alternativen gleichwertig für uns sein. Claudia entscheidet sich manchmal bewusst keinen Newsletter zu schreiben und sich stattdessen einen gemütlichen Nachmittag zu machen. Für sie ist das kein Ding. Sie überlegt kurz „Will ich schreiben oder nicht“ und entscheidet sich dann.
Das funktioniert allerdings nur deshalb so reibungslos, weil für sie beide Optionen in Ordnung sind. Sie hat kein schlechtes Gewissen eine Woche keine E-Mail an ihre Kund*innen zu verschicken. Sie grübelt nicht nach, was denn passieren könnte, was sich Ihre Leser*innen denken könnten, ob ihr dann vielleicht ein Geschäft verloren gehen könnte. Sie weiß, dass eine Woche ohne Newsletter kein großes Ding ist.
Anders sieht es jedoch aus, wenn es darum geht zwei Wochen keine E-Mail zu schreiben. Dann kommen sehr wohl Gedanken auf, welche Auswirkungen das haben könnte. Sie ist der Meinung, dass je länger sie nicht schreibt, umso schwieriger fällt es ihr, wieder in einen Rhythmus zu kommen. Diese bewusste Entscheidung kann sie also nicht treffen, denn die zweite Alternative löst Unruhe bei ihr aus.
Diese Unruhe kommt aber nicht, weil tatsächlich etwas passieren und sie tatsächlich nicht mehr ins Schreiben kommen würde. Sondern, weil ihr hier eine Alternative richtiger erscheint, als die andere. Daher wäre die Entscheidung, zwei Wochen keinen Newsletter rauszubringen, ein Kampf für sie, den sie nicht führen möchte. Sie würde ständig mit sich hadern und sich selbst Vorwürfe machen. Einfacher ist es dann, sich „bewusst“ zu entscheiden, spätestens nach zwei Wochen wieder zu schreiben.
Wir wollen nichts falsch machen
Wir folgen immer unseren Vorstellungen und Gedanken. Glauben wir, dass ein Tun oder Nicht-Tun negative Folgen für uns haben wird, dann werden wir so handeln, dass unerwünschte Auswirkungen nicht eintreten. Sich „bewusst“ für das Gegenteil zu entscheiden, würde in uns Widerstand, Stress, Ängste erzeugen. Denn es würde bedeuten, etwas „falsch“ zu machen und das wollen wir mit allen Mitteln vermeiden.
Sehr oft hadern wir mit einer Entscheidung. Wir würden gerne X machen, ertappen uns aber immer dabei, es nicht zu tun. Ich sollte doch einen Plan machen, ich sollte mir mehr Ruhe gönnen, ich sollte regelmäßig veröffentlichen. Das klingt alles sehr vernünftig – vom Kopf her. Und doch tun wir es nicht.
Eine Aussage, „du musst dich für X bewusst entscheiden“ führt zu nichts, wenn es bedeuten würde, dass Alternative X scheinbar negative Folgen haben könnte. Mehr Ruhe könnte vielleicht bedeuten, nicht professionell genug zu erscheinen. Regelmäßig veröffentlichen die Vorstellung hervorbringen, zu nerven oder nicht genug Wissen zu haben, um hochwertigen Content zu produzieren. Sich an einen Plan zu halten könnte gleichzeitig bedeuten, schlechtes Gewissen zu haben, wenn es mal doch nicht funktioniert oder sich eingeengt zu fühlen.
Sehr oft erscheint es uns lächerlich, dass wir nicht entscheiden können. Irgendwo tief drinnen wissen wir, dass nichts Schlimmes passieren wird, ganz gleich welchen Weg wir wählen. Wir sagen dann oft zu uns: „Jetzt stell dich nicht so an, tu es einfach, du musst dich nur dazu entscheiden.“
Aber, wie vorhin erwähnt, damit du tatsächlich zwischen zwei Alternativen entscheiden kannst, müssen beide für dich gleichwertig sein. Keine davon darf in dir das Gefühl erzeugen, etwas dabei zu verlieren oder etwas „Falsches“ zu tun.
Prüfe deine Geschichte
Wenn du dich also über einen längeren Zeitpunkt nicht für eine Sache entscheiden kannst, dann versuche dich nicht noch mehr zu zwingen, es doch endlich zu tun. Stattdessen fühle ich dich hinein, was denn die einzelnen Alternativen für dich bedeuten könnten. Lass aber deinen Kopf so weit wie möglich außen vor, sondern fühle in dich hinein. Löst eine der beiden Möglichkeiten Stress, Druck, Angst in dir aus? Befürchtest du negative Konsequenzen, wenn du dich für eine Richtung entscheidest?
Und wenn du dann draufkommst „ah, ich tue nicht oder tue, weil …“, dann schau dir die Geschichte hinter dem „weil“ genauer an. Und dann kannst du dir die Frage stellen, ob die Geschichte für dich sehr real und richtig aussieht und du ihr weiter folgen möchtest oder aber ob die Geschichte vielleicht veraltet ist. Eine Geschichte, die du irgendwann, irgendwo mal aufgeschnappt hast, du sie unwissentlich immer noch für wahr erachtest, sie aber für dich heute keine Gültigkeit mehr hat. Weil sie deinen eigenen Vorstellungen von heute einfach nicht mehr entspricht.
Und manchmal erkennst du die Gedanken dahinter nicht. Auch das ist kein Problem. Dann sei dir nur bewusst, dass du einem versteckten Gedanken folgst, der sich nur noch nicht bei dir zeigt. In diesem Fall reicht es vollkommen aus, immer wieder in diese Richtung zu schauen. Aber nicht mit Druck und Stress, sondern mit Neugier und Offenheit. Sage zu dir: „Ich würde gerne wissen, warum ich mich nicht entscheiden kann. Warum ich nicht tue (oder tue), obwohl ich eigentlich lieber das Gegenteil davon täte.“ Und dann lass diesen Gedanken los und warte. Irgendwann wird sich dir zeigen, was dich abhält, es wird dir klar werden und dann wirst du die Geschichte erkennen, die im Hintergrund abläuft.
Und bis dahin, sei ganz entspannt und vertraue darauf, dass das, was du gerade tust (oder nicht) genau das Richtige für dich ist. Dass es derzeit keine passende Alternative für dich gibt, mit der du im Einklang bist. Aber, dass sich mehr und mehr Alternative für dich zeigen werden, je offener und interessierter du dafür bist.
Liebe Silvia, diese Sichtweise tut mir so gut! Statt die vorwurfsvolle Geißel auszupacken („Jetzt mach doch endlich…! Warum tust du nicht…?“) achtsam und respektvoll und neugierig hinzuschauen: „Was hindert mich eigentlich daran XY zu machen? Was steckt dahinter?“ Dieser Gedanke entspannt mich schon beim Lesen. Ich freue mich darauf, beim nächsten Mal, wenn dieses Muster bei mir auftaucht, es zu erkennen und die neue Sichtweise auszuprobieren. Liebe Grüße, Gabi
Liebe Gabriele,
das freut mich sehr, dass dich diese Sichtweise entspannt. Wir sind gerade bei uns sehr schnell mit Vorwürfen, ohne drauf zu schauen, warum wir etwas nicht tun.
Aber jetzt kannst du ja neu drauf schauen und ich bin sehr gespannt, was du für dich erkennst.
Alles Liebe
Silvia