Entscheidungen bewusst treffen, Silvia Chytil

Kennst du das, wenn du das Gefühl hast, unsichtbare Kräfte fließen durch dich durch und erledigen deine Arbeit? Statt dich unheimlich anzustrengen, kannst du beobachten, wie dein Werk Gestalt annimmt? Wie es sich vor dir entfaltet. Leicht, intuitiv, spielerisch.

Das erste Mal, dass ich dieses Gefühl bewusst wahrgenommen habe, schrieb ich an meiner Masterarbeit. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch keine geübte Schreiberin, eine wissenschaftliche Arbeit in diesem Umfang hatte ich zuvor überhaupt noch nie geschrieben. Insofern war ich ziemlich planlos, wie ich denn dieses Ding angehen sollte.

Nachdem ich die Vorarbeiten erledigt hatte, von der Recherche bis zu den Interviews und dem Entwurf eines Inhaltsverzeichnisses, nahm ich mir zwei Wochen Urlaub, um mich voll und ganz auf das Schriftstück konzentrieren zu können.

Was sich dann ereignete, war für mich ein einzigartiges Erlebnis. Ich wachte in der Früh mit einer vagen Idee auf, die ich an diesem Tag schriftlich umsetzen wollte. Und damit setzte ich mich an den Computer.

Und dann – passierte Magie!

Es war genau dieses Gefühl. Als ob unsichtbare Kräfte meine Finger über die Tastatur huschen ließen, lose Gedanken zu einem neuen Ganzen verbanden und immer wieder unerwartete Zusammenhänge aufdeckten.

Jeden Abend war ich aufs Neue überrascht, was hier aus mir herausfloss. Ich gewann den Eindruck, als ob es in mir drin etwas gab, das das große Ganze bereits kannte und mir Schritt für Schritt, Tag für Tag mehr davon offenbarte. Jeden Morgen war ich neugierig, welch überraschende Erkenntnisse ich denn heute wieder entdecken würde. Und auf diese magische Weise entfaltete sich die ganze Arbeit. Leicht, überraschend, inspirierend.

Ich gab die Arbeit zum vereinbarten Termin ab, bekam eine ausgezeichnete Note und legte diese außergewöhnliche Erfahrung ad acta. Denn ich dachte, dass diese erlebte Leichtigkeit nur beim Schreiben möglich wäre oder bei Dingen, die „nicht so wichtig“ wären. Aber ganz sicher nicht im Job oder als Unternehmerin. Denn immerhin geht es dort um „wirkliche“ Leistung, um Geld, um Professionalität. Da brauchen wir einen Plan, da müssen wir wissen, was als Nächstes kommt, da können wir nicht einfach unsichtbare Kräfte durch uns fließen lassen.

Vergessen konnte ich diese Leichtigkeit, die ich damals beim Arbeiten spürte, dennoch nicht. Diese Neugier, diese Unbeschwertheit, diese Inspiration, die mich tagtäglich begleitete, blieb fest in meiner Erinnerung verankert.

Lange habe ich gebraucht, um zu erkennen, dass diese Art zu arbeiten nicht nur im künstlerischen oder im Freizeit-Bereich möglich ist, sondern dass wir jederzeit so tätig sein können, ganz gleich, was wir gerade tun.

Worauf liegt der Fokus?

Je mehr ich den Blick in diese Richtung wandte, umso mehr erkannte ich, dass sich manche Tätigkeiten unkompliziert und inspirierend anfühlen, andere hingegen schwer und belastend. Wenn ich es in Zahlen fasse, dann würde ich sagen, dass sich ungefähr 80 % meiner Tätigkeiten leicht und fließend anfühlen und 20 % anstrengend. (Natürlich arbeite ich daran, dass es 100 % werden).

Nur: Was macht den Unterschied aus?

Arbeite ich zum Beispiel an meinem Magazin, meinem Blog oder Newsletter arbeite dann habe ich kein Endergebnis im Kopf. Ich mache mir keine Gedanken darüber, ob ich viele Leser oder Zuhörer gewinne, ob sich daraus Aufträge ergeben oder ob ich viele neue Abonnenten erhalte.

Nein, ich gebe mich voll und ganz der Sache und dem Prozess hin. Ich lasse entfalten, was sich entfalten möchte.

Auch wenn ich mit meinen Kund*innen zusammenarbeite oder ein Seminar gebe, dann verschwende ich keinen einzigen Gedanken daran, ob ich gut bin, das Richtige sage oder sehr weise Sätze von mir gebe.

Nein, eigentlich bin „Ich“ gar nicht wirklich da. Mein Fokus liegt voll und ganz auf dem Menschen, mit dem ich arbeite. Ich beobachte mich dabei, wie ich zuhöre, Fragen stelle, etwas auf das Flipchart zeichne. Ohne jemals auch nur im Geringsten darüber nachzudenken, ob ich das gut mache. Es darf durch mich hindurchfließen.

So auch damals bei meiner Masterarbeit. Ich schrieb, was mir in dem Moment in den Sinn kam, ohne Gedanken daran zu verschwenden, welche Note ich bekommen werde oder wie sich das alles zu einem großen Ganzen zusammenfügen wird. Ich ließ es aus mir herausfließen, voller Vertrauen, dass es letztlich gut sein wird.

Das sind meine 80 %.

Leicht, fließend, spielerisch.

Nehme ich nun im Gegenzug die restlichen 20 % genauer unter die Lupe, dann sind dies Tätigkeiten, in denen für mich vor allem das Ziel im Vordergrund steht. Zum Beispiel beim Marketing oder beim Verkaufen. Da habe ich eine bestimmte Zahl im Kopf, will Umsatz erzielen, Produkte verkaufen oder Leser gewinnen.

Oder in mir tauchen Gedanken auf, die sich auf meine Leistung und mich beziehen: „Mache ich das gut?“ Mir passierte das früher oft vor einem Video-Dreh. Anstatt mich voll auf das Thema zu konzentrieren, war ich unsicher, ob der Hintergrund optisch einladend ist, ich eine gute Figur vor der Kamera mache oder mir genug Text einfällt. Ich konzentrierte mich also weniger auf die Sache oder mein Gegenüber, sondern der Fokus lag auf dem Ziel oder – noch schlimmer – auf mir.

Und beides macht die Arbeit anstrengend und mühsam.

Leichtigkeit ist …

… den Weg mehr zu lieben, als das Ziel.

Weg vom Ergebnis hin zum Prozess

Werfen wir einen Blick auf „große“ Namen, dann lässt sich oft erkennen, dass sie selten ihrem Schaffen nachgegangen sind, weil sie irgendwas erreichen oder sein wollten. Stattdessen wurden sie von einer inneren Begeisterung erfasst, die sie Schritt für Schritt durch den Prozess geleitet hatte.

Viele erfolgreiche Künstler*innen, aber auch Sportler*innen erzählen, dass ihre Werke weniger von ihnen geschaffen wurden, sondern vielmehr DURCH sie entstanden sind. Sie hatten keinen genauen Plan, sondern nur mal eine vage Vorstellung, eine Idee, was sie denn in die Welt bringen wollen. Und dann haben sie sich auf die Reise gemacht, ließen sich führen und leiten und ließen die Dinge auf sich zukommen.

Im beruflichen Umfeld klingt das oft esoterisch oder spirituell. Wir haben die Angst, unsere Zukunft den Sternen oder dem Schicksal zu übergeben, anstatt selbst die Zügel fest in der Hand zu halten. Wir müssen selbst anpacken, selbst Verantwortung zeigen. Was auch stimmt – niemand nimmt uns unsere Arbeit ab.

Es ist vielmehr ein unterschiedlicher Zugang: Auf der einen Seite folgen wir einem ziemlich starren Konzept oder Plan und jagen einem Ziel nach. Wir wollen etwas erreichen, um etwas zu sein. Was dazu führt, dass wir immer hinterherhinken. Dem Erfolg, der Zufriedenheit, der Leichtigkeit. Und außerdem sind wir dann oft orientierungslos, wenn es nicht so funktioniert, wie wir es uns vorstellen.

Auf der anderen Seite geben wir uns dem Fluss des Lebens hin, fokussieren uns auf jene Dinge, die unmittelbar vor uns liegen, und tun das, was jetzt gerade offensichtlich ist. Wir jagen nicht nach, sondern lassen Dinge zu uns kommen. Dadurch werden wir flexibler, beweglicher, gelassener und können auf alles reagieren, was jetzt gerade wichtig ist.

Es darf sich entfalten

Vielleicht ist es am Anfang sehr ungewöhnlich und verunsichernd, wenn wir uns plötzlich nicht mehr auf das Ziel konzentrieren, sondern Dinge auf uns zukommen lassen. Wir haben das Gefühl, den Halt zu verlieren und planlos durch die Welt zu laufen.

Aber je mehr du dich auf den natürlichen Fluss einlässt, desto mehr wirst du feststellen, dass du genau die richtigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt erledigst.

Dann hältst du ein Webinar, nicht weil es am Plan steht, sondern weil es dir Freude bereitet und es dir sinnvoll erscheint.

Du startest eine Werbekampagne, nicht um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern damit du mit anderen Menschen in Kontakt treten und ihnen zeigen kannst, was du für sie tun kannst.

Alles Liebe