Entscheidungen bewusst treffen, Silvia Chytil

Im UPLIFT-Gruppen Programm starten wir jede Woche mit einem ganz speziellen Thema. Diese Woche war es „Identifikation“. Womit identifizieren wir uns im Leben und auch im Business? Bei zweiterem sind es in der Regel die Zahlen. Wir benötigen X Umsatz, X Newsletter Abonnenten, X TeilnehmerInnen in Workshops, Seminaren, Online-Programmen.

Die Identifikation mit Zahlen ist ein Übel, dass mich sehr lange beschäftigt hat und mir auch heute immer mal zu schaffen macht.

Ich komme aus der Wirtschaft. Da sind Zahlen das Instrument schlechthin. Alles wird in Zahlen gemessen: Leistung, Prämien, Erfolg. Also lag es nahe, auch in meinem Business die Zahlen als wichtigsten Maßstab zu nehmen.  Hatte ich gute Zahlen, war ich erfolgreich. Waren die Zahlen nicht gut, war ich nicht erfolgreich und nicht gut. So einfach war das. Und so anstrengend war das auch.

Denn die Identifikation mit Zahlen oder Zahlen als Richtwert für Erfolg und gute Leistung zu nehmen, führt unweigerlich zu Stress und Druck. Vielleicht nicht bei allen Menschen. Bei mir auf jeden Fall und bei sehr vielen Personen, mit denen ich zusammenarbeite.

Vor einiger Zeit besprach ich dieses Thema auch mit meiner Coach. Ich jammerte über ein Projekt, das aus meiner Sicht nicht gut anlief, weil ich nicht genug Anmeldungen hatte.

Sie fragte mich, ob es noch einen anderen Maßstab geben könnte, der über Erfolg und Misserfolg eines Projektes entscheiden könnte.

Einen anderen Maßstab als Zahlen? Ehrlich? So was gibt es?

Mir fiel im ersten Moment nichts ein. Überhaupt nichts. Da war komplette Leere. Ich habe es so gelernt und bin darauf trainiert, jeden Erfolg ausschließlich in Zahlen zu messen. Was könnte es sonst noch sein?

Wie wär´s mit Freude?

In den folgenden Tagen beschäftigte mich diese Frage sehr intensiv. Woran könnte ich Erfolg noch messen, wenn nicht an Zahlen? Mir fiel sehr lange nichts ein, was deutlich zeigte, wie sehr ich mich in meinem Business mit Zahlen identifizierte.

Nach einigen Tagen, es war in der Früh, noch im Halbschlaf, tauchte ein Gedanke auf: Wie wär’s mit Freude? Was, wenn du Freude als Maßstab wählst?

Ich habe schon mehrfach darüber geredet und geschrieben, dass Begeisterung im Business eine der wertvollsten Ressourcen ist. Allerdings habe ich es selbst zwar im Kopf gehabt, es hatte sich jedoch nicht tiefer gesetzt. Und ich hatte es auch nicht auf den ganzen Prozess umgelegt.

Für mich stand Freude und Begeisterung meist am Anfang eines Projektes. Möchte ich das tun und wie viel Freude macht es mir? Das waren die Fragen, die ich mir als Entscheidungs-Hilfe stellte. Spürte ich viel Begeisterung – dann startete ich. Mischten sich „ich muss“ und „ich soll“ dazu, dann ließ ich es meist bleiben. So weit war ich also schon.

Aber ich habe die Freude nicht konsequent weitergezogen. Sobald es nämlich um den Erfolg ging, war Freude kein Maßstab mehr. Da ging es plötzlich nur noch zum Zahlen.

Diesmal dachte ich es jedoch weiter. Was, wenn ich Freude als einzigen Richtwert wähle? Nicht nur am Anfang, sondern den ganzen Prozess hindurch. Und was, wenn Freude mein einziger Maßstab für Erfolg ist? Also erfolgreich bin ich, wenn es mir Freude macht, das Projekt vorzubereiten, durchzuführen und auch abzuschließen. Unabhängig von der Zahl, die am Ende herauskommt.

Mein Verstand war damit natürlich überhaupt nicht einverstanden. Sofort kamen Einwände wie: Freude ist nicht messbar (SMART …). Freude begleicht keine Rechnungen. Freude macht dich nicht satt.

Und ich höre auch andere Menschen, die sagen: Ich muss ja Geld verdienen, mit dem was ich tue. Ich kann nicht einfach nur tun, was mir Freude macht, dann mache ich vielleicht gar nichts. Und nicht alles, was ich in meinem Business tun muss, macht Freude.

Ich kenne alle diese Einwände und Argumente nur zu gut. Auch in mir sind sie sehr stark verankert.

Freude an der Arbeit
lässt das Werk trefflich geraten.
(Aristoteles)

Zahlen folgen der Freude. Nicht umgekehrt.

Aber schauen wir uns die Sache doch mal von einer anderen Perspektive an und nehmen wir dazu mein Projekt als Beispiel.

Ich hatte sehr viel Freude bei der Idee, also habe ich es gestartet. Ich habe die Landingpage gestaltet – mit viel Freude. Ich habe den Termin in meinem Newsletter und in den Sozialen Medien bekannt gegeben – auch mit viel Freude.

Dann schaute ich auf die Anmeldungen und meine Freude sank. Ja, ich hatte ein paar, aber in meinen Augen zu wenig. Mit jedem Tag, der verging und die Zahlen nur sehr langsam in die Höhe krochen, versiegte meine Freude mehr und mehr. Plötzlich machte es mir keinen Spaß mehr, darüber zu reden und zu schreiben. Keine Freude mehr es in den sozialen Medien zu teilen oder gar ein Video darüber zu drehen. Ich dachte das Thema interessiert niemand und daher brauche ich auch nicht weiter die Werbetrommel zu rühren.

Wie hätte es ausgesehen, wenn Freude mein Maßstab gewesen wäre und nicht Zahlen? Vermutlich hätte ich mit Freude und Begeisterung weiterhin über mein Vorhaben berichtet. Ich hätte ein Video aufgenommen. Ich hätte Blogartikel dazu geschrieben. Ich hätte vielleicht Interviews aufgenommen – einfach, weil ich Freude an all diesen Dingen habe.

Und vermutlich – das lässt sich im Nachhinein natürlich nicht feststellen – wären die Zahlen automatisch gestiegen, je mehr ich darüber berichtet und je mehr Freude ich in den gesamten Prozess gelegt hätte.

Im Rückblick fallen mir ganz viele Projekte ein, die ich aufgab, weil ich mich zu sehr mit Zahlen identifizierte. Projekte, die ich gar nicht startete, aus Angst, nicht „genug“ Umsatz, Anmeldungen, Buchungen zu haben. Projekte, die ich unterwegs fallen ließ, weil die Zahl scheinbar zu niedrig war.

Bei anderen sieht man das ja immer besser als bei einem selbst. Denn bereits vor Jahren sagte ich einer Freundin, auch Unternehmerin, dass diese Zahl, die wir im Kopf spazieren tragen, immer nur eine Erfindung von uns selbst ist. Und an der reiben wir uns dann. Wir sagen – und hören es auch von außen ständig – wir benötigen so und soviel Anmeldungen, Buchungen, Umsatz, Gewinn usw. Und ja, es ergibt sicher auch Sinn, Zahlen im Auge zu behalten.

Für mich jedoch sind sie mittlerweile kein aussagekräftiger Richtwert in einem Business. Wenn ich mir meine Vergangenheit anschaue, dann waren sie sogar ein Hindernis für Erfolg. Zumindest mich haben sie oft genug davon abgehalten einfach weiterzugehen und an einer Sache dranzubleiben.

Je mehr ich über dieses Thema nachdenke, umso überzeugter bin ich, dass Zahlen der Freude folgen und nicht umgekehrt. Bringen wir Freude und Begeisterung in unser Tun, und zwar von Anfang bis zum Ende, dann agieren wir kreativer, inspirierter und entspannter. Und in den allermeisten Fällen sind gute Zahlen eine Folge davon.

Wie ist es bei dir?

Identifizierst du dich mit Zahlen? Siehst du Zahlen als Zeichen des Erfolges? Bereitet dir diese Sichtweise manchmal Schwierigkeiten? Was könnte für dich ein anderer Maßstab für Erfolg sein?

Alles Liebe