Wir alle greifen auf unser inneres Assessment-Center zurück, um zu überprüfen, ob wir gewissenhaft gearbeitet haben und unsere Leistung positiv zu bewerten ist. Manchmal fällt die Bewertung positiv aus und manchmal negativ. Wir nehmen das als Richtmaß, um entweder zufrieden mit uns zu sein oder uns mehr anzustrengen.
Aber ist unser inneres Assessment-Center tatsächlich verlässlich oder steckt dahinter nicht eigentlich ein ganz fieser Trick?
Es ist bereits einige Jahre her. Nach Monaten harter Arbeit, schloss ich ein großes Projekt ab. Aus meiner Sicht war es gut gelaufen. Auch das Feedback des Kunden fiel überwiegend positiv aus. Ich befand mich in einer Hochstimmung.
Die Freude hielt aber nicht lange. Beinahe unbemerkt schlichen sich Zweifel bei mir ein: Waren sie tatsächlich zufrieden oder waren sie nur freundlich zu mir? Hätte ich nicht besser sein oder mehr tun sollen? Ich habe zwar dieses Projekt geschafft, aber schaffe ich es noch einmal?
Diese Gedanken überraschten mich. Noch mehr. Ich war entsetzt. Entsetzt darüber, welche Meinung ich von mir hatte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon ein tieferes Verständnis darüber, wie unser Verstand funktioniert. So war es vermutlich das erste Mal, dass ich genau hinsah, meine Gedanken hinterfragte und nicht ungefragt für bare Münze nahm.
Ein Blick in meine Vergangenheit zeigte mir, dass ich Selbstzweifel schon mein ganzes Leben mit mir herumtrug. Ganz gleich, was ich tat, wo ich gerade war, mit wem ich zusammen war, ich hinterfragte ständig, ob ich gut genug war und das Richtige tat. Es war wie eine zweite Haut für mich geworden. Immer da, immer präsent und von mir nie infrage gestellt.
Wie eine große, schwarze Wolke schoben sich meine zweifelnden Gedanken über meine Freude und meine Leichtigkeit und töteten sie ab. Kein Wunder also, dass ich mich sooft schlecht und ungenügend fühlte.
Inneres Assessment-Center
Das, was nicht nur bei mir, sondern bei fast allen Menschen abläuft, können wir „inneres Assessment-Center“ nennen. Unser Tun und Sein wird unter die Lupe genommen und bewertet. Mal sind wir zufrieden mit unserer Leistung, mal weniger. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Aber in der Regel liegt darunter eine Grundbewertung. Bei mir ist es der Zweifel, ob ich gut genug bin. Es ist wie ein Dauerrauschen, das immer zu hören ist, auch wenn eigentlich alles ok ist.
Ich kenne viele Menschen mit diesem Dauerrauschen. Ganz gleich, was sie tun, immer schweben unsichere Gedanken im Kopf herum: War das genug, hätte es nicht besser sein sollen, sind die Anderen tatsächlich zufrieden?
Irgendwann gewöhnen sie sich an dieses Hintergrundgeräusch. Es ist zwar immer da, wird aber nicht mehr wahrgenommen. Es zeigt sich nur noch im Verhalten und im Wohlbefinden. Sie leben mit dem ständigen Druck, noch mehr arbeiten und leisten zu müssen. Und mit der quälenden Frage, was sie denn tun müssen, damit sie sich endlich wohlfühlen und zufrieden mit sich selbst sind.
Allerdings – ganz gleich, was sie tun und wie viel sie tun – die erlösende Zufriedenheit stellt sich nicht ein.
Warum ist das so?
Angelerntes Gedanken-Muster
Als ich mich damals eingehender mit meinem inneren Assessment-Center beschäftigte, machte ich eine verblüffende Entdeckung: Obwohl ich mich veränderte, Ausbildungen abschloss, mich weiter entwickelte, an mir arbeitete, die unterschiedlichsten Jobs, Beziehungen, Freundschaften hatte – blieb eines immer gleich: der Zweifel an meiner Leistung und mir.
Er wirkte so stabil, wie ein verlässlicher Freund, der immer an meiner Seite war. Der mir scheinbar mit Rat und Tat zur Seite stand. Gab immer die gleichen Sätze von sich, ganz gleich, was ich tat.
Nur warum veränderte er sich nicht, obwohl ich mich doch so sehr verändert hatte???
Die Antwort ist so einfach, wie erschreckend: Weil es sich dabei um ein angelerntes, antrainiertes Gedanken-Muster handelt. Die Bewertung bezieht sich nicht auf die aktuelle Situation, sondern unser Verstand spult einfach immer dieselben Gedanken ab. Wie eine alte Leier in der Endlosschleife.
Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Konnte es tatsächlich sein, dass mich mein inneres Assessment-Center durchs Leben hetzte, es sich dabei aber um keine akkurate Leistungs-Beobachtung handelte, sondern um alte, konditionierte Gedanken-Muster?
Je mehr ich mich damit beschäftigt, umso klarer war die Antwort: JA.
Denn es war schlichtweg unmöglich, dass die Sätze seit Jahren beinahe unverändert blieben, während sich sowohl meine Umstände, als auch ich mich komplett verändert hatten.
Umstände = verändert
Ich = verändert
Sätze = gleichgeblieben
Das passt nicht zusammen!
Unser inneres Assessment-Center ist nicht verlässlich
Unsere abgespeicherten Gedanken, die in uns immer und immer wieder auftauchen, haben wir irgendwann einmal gelernt. Vermutlich als kleines Kind, als uns gesagt wurde, was wir tun müssen, damit wir ein Plus bekommen und was wir unterlassen sollen, um eine negative Bewertung zu vermeiden. Da das funktionierte, speicherten wir diese Sätze in uns ab.
Im Erwachsenen-Alter stehen hinter uns keine LehrerInnen oder Elternteile mehr, nein, wir haben diese Stimmen internalisiert. Die prüfenden Augen kommen nicht mehr von außen, sie befinden sich jetzt in uns. Jede Bewegung und Handlung wird beleuchtet und je wichtiger eine Situation scheint, umso kritischer wird geprüft.
Dann passiert das, was mir passierte. Mein inneres Assessment-Center durfte über mein Sein und Lassen richten. Tagein, tagaus, jahrein, jahraus.
Ich hatte es nie infrage gestellt. Vermutlich dachte ich auch lange, dass es mich vor großem Schaden bewahren würde.
Aber das tat es nicht. Ich habe Fehler gemacht, habe hervorragende und miserable Leistungen abgeliefert. Es konnte auch nie die Zukunft vorhersagen oder mich vor einem Fauxpas bewahren.
Stattdessen hat es mich an der kurzen Leine gehalten. Es hat mich verunsichert, mir Freude genommen, mich lange im Glauben gelassen, ich sei nicht gut genug.
Es hat mich in die Irre geführt, hat mich ausgetrickst, über mich gerichtet und mir Angst gemacht. Angst vor Fehler, Angst vor dem Versagen, Angst vor Blamage.
Es ist tatsächlich nur ein Trick
Unser Verstand ist ein großartiges Tool. Es spielt uns eine Welt vor und lässt uns glauben, es handle sich dabei um die Wirklichkeit. Ich glaube ja mehr und mehr, dass das Universum (oder Gott oder woran immer du glaubst) eine unheimliche Freude mit uns Menschen hat. Wir tappen immer wieder in dieselbe Falle.
Die wahre Aufgabe für uns Menschen besteht nicht darin, immer besser zu werden, sondern endlich zu erkennen, dass das alles nur ein Trick ist.
Bei unserem inneren Assessment-Center könnte es so ablaufen:
Nach jeder Aufgabe, die du erledigt hast, gehst du in einen Raum. Dort sitzen 3 Prüfer*innen, die dich benoten und bewerten.
Manchmal fällt die Beurteilung positiv aus, manchmal negativ.
Natürlich erhältst du lieber Sternchen, als dicke, fette Minusse, also strengst du dich mehr an. Du lernst und arbeitest fokussierter, konzentrierter und disziplinierter. Aber so sehr du dich auch anstrengst, es ändert nichts daran, dass du immer wieder auch negative Bewertungen erhältst.
Irgendwann beginnst du an dir zu zweifeln: Kann ich das überhaupt? Bin ich gut genug? Ich schaffe das nie!
Es gibt jedoch ein paar entscheidende Punkte, die du nicht weißt:
- Die 3 Prüfer ziehen wahllos einen Zettel aus einem großen Topf und überreichen ihn dir. Ihnen ist egal, wie sehr du dich angestrengt hast oder welche Wirkung du im Außen erzielt hast, du bekommst irgendeine Bewertung.
- Die eigentliche Prüfung besteht nicht darin, dass du immer besser wirst, sondern wie lange du brauchst, bis du Punkt 1 erkennst.
Die 3 Prüfer haben einen Höllen-Spaß dabei. Während sie den Prüflingen eine nichtssagende Bewertung überreichen, führen sie unter dem Tisch eine Stricherl-Liste. Und brechen in schallendes Gelächter aus, wenn die Liste länger und länger wird.
Erst, wenn der Mensch das erkannt hat, hat er die Prüfung bestanden und das Assessment-Center löst sich wie aus Zauberhand in Luft auf.
Denn dann ist ja der Spaß vorbei.
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