Aufgeben - Silvia Chytil

Du darfst nur nicht aufgeben! Das ist ein Spruch, mit dem wir immer wieder zu mehr Motivation angetrieben werden. Aufgeben ist ein Makel. So scheint es zu mindestens. Aber ist weiter machen immer die bessere Alternative? Oder lohnt es sich nicht doch manchmal, Dinge loszulassen und einen neuen Weg einzuschlagen. Warum Durchhalten nicht immer die klügste Entscheidung ist, zeige ich dir anhand dreier Kurven:

Im Jahr 2012 stand ich vor einer der größten Entscheidungen meines Lebens. Soll ich weiterhin mein Angestellten-Dasein fristen? In einem Unternehmen, das mir zwar viel Sicherheit und ein ausgesprochen gutes Gehalt bot. Ich aber sehr unzufrieden war und keinerlei Zukunftsperspektive sah.

Oder sollte ich den Schritt in eine ungewisse Zukunft als Unternehmerin wagen? Eine Möglichkeit, die mich zwar frei und unabhängig sein ließ, mir aber keinerlei Garantien mehr gab.

Zum Glück stehen wir nicht immer vor so massiven Herausforderung, die unser Denken fesseln. Das geht schon viel kleiner. Soll ich ein neues Produkt auf den Markt bringen oder ein bestehendes aufgeben? Soll ich die Beziehung zu einem Kunden aufgeben, der mir zwar gutes Geld bringt, aber die Zusammenarbeit extrem anstrengend und energieraubend ist? Soll ich noch mehr arbeiten, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen oder mich mehr um meine Familie kümmern und mir alternative Einkommensmöglichkeiten überlegen.

Nur nicht aufgeben! Nur nicht aufgeben?

Von den meisten Menschen hörst du, dass du nur nicht aufgeben sollst. Du musst konsequenter sein, mehr Disziplin aufbringen. Härter arbeiten und noch mehr lernen.

Wäre allerdings der einzige Erfolgs-Schlüssel „nur nicht aufgeben“, dann frage ich mich, warum es Unternehmer gibt, die weniger hart arbeiten, nicht rund um die Uhr verfügbar sind und trotzdem erfolgreich sind? Warum Menschen gewinnen, die weniger talentiert sind als andere?

Die Lösung ist relativ simpel. Es geht nicht darum, ob du aufgibst oder nicht? Sondern darum, WANN du aufgibst und aus welchem Grund.

Drei Kurven entscheiden

Manchmal stehen wir an einem Punkt, an dem Hinschmeißen die einzige Lösung zu sein scheint. Wir haben keinen Spaß, an dem was wir tun. Es fühlt sich mühsam und anstrengend an. Das unangenehme Gefühl loswerden, ist das Einzige, wonach wir in dieser Situation streben.

Vor einiger Zeit arbeitete ich mit einer Kundin zusammen, die ein ganz großartiges Projekt plante. Nur bis zur Vertragsunterschrift gab es immer wieder Momente, in denen sie am liebsten alles hinschmeißen wollte. Ich weiß das, denn ich hatte sie einige Male unglücklich am Telefon. Sie zweifelte an sich und ihrem Können. Sie wusste nicht, ob ihr Vorhaben jemals von Erfolg gekrönt werden würde. Sie zweifelte, ob sie fähig war, bis zum Schluss durchhalten zu können.

Ich bin mir ganz sicher, dass du auch diese Momente kennst und dir dieselben Fragen stellst. Soll ich aufgeben? Macht das alles überhaupt einen Sinn? Oder soll ich die Zähne zusammenbeißen und weitermachen?

Wenn uns diese Sorgen plagen, dann stehen wir im Normalfall an einer dieser drei Kurven. Es ist eine Kurve, deren Ende wir nicht sehen, sondern manchmal nur erahnen können.

Kurve #1: Die Sackgasse

Zuerst mal gibt es die Sackgasse. Die Sackgasse hat keine großartigen Aufs- und Abs. Eigentlich ist sie eine ganz gemütliche Straße. Das einzige Problem: Sie führt nirgends hin.

Mein damaliger Job war so eine Sackgasse. Ich habe in meinem Job nicht sehr gelitten. Er war ein sicherer Ort, an dem ich wusste, was mich erwartete. Ich war versorgt und hätte wohl noch Jahre dort verbringen können.

Die Sackgasse ist unsere Komfortzone. Dort ist es kuschelig warm. Es gibt keinen eisigen Schneeschauer und auch keine extreme Hitze. Es ist das gemütlich Sofa, die sanfte Musik, das Dämmerlicht. Der Duft nach frischgebackenem Kuchen. Um dich herum Menschen, die du kennst und denen du vertraust. Es ist dein Wohnzimmer.

Natürlich ist es auch nicht verkehrt, immer in dieser Sackgasse zu bleiben. Allerdings passiert dort rein gar nichts. Du entwickelst dich nicht weiter. Dort gibt es keine Anlässe, die dich zum Lachen oder auch mal zum Weinen bringen.

Dranbleiben? Eher nicht.

Ganz ehrlich, es gibt schon viel zu viele Menschen, die in so einer Sackgasse sitzen und das vermutlich auf Ewig. Du willst nicht dazu gehören, oder?

Kurve #2: Das Tal

Wenn du schon eine Weile als UnternehmerIn unterwegs bist, dann kennst du diese Täler zu Genüge. Es sind jene Momente, an denen du an allem zweifelst, woran du bisher geglaubt und wofür du gearbeitet hast. Alles, was du bisher geschafft hast, scheint dir sinn- und wertlos.

Auch ich erlebe diese Täler in wiederkehrenden Abständen Sie sind unterschiedlich tief und dunkel. Das letzte Mal, als ich in so einem düsteren Tal gelandet bin, war im letzten Sommer. Der Abgrund, in dem ich mich damals befand, war so ausweglos, dass ich wirklich ans Aufgeben dachte.

Sehr oft schmeißen wir genau in dieser Phase alles hin. Der Grund dafür ist, dass wir es als so schmerzhaft empfinden, das Tal durch zu tauchen und wieder neue Kraft zu finden, den nächsten Aufstieg zu wagen.

Das passiert, wenn wir mit einer Diät beginnen und nach einigen Tagen die Lust auf „Verbotenes“ extrem groß wird. Nur mit sehr viel Disziplin können wir der Schokolade widerstehen, die in der Küche liegt. Oder der Moment, an dem uns der Gang zum Fitness-Studio eine riesengroße Überwindung kostet. Weil jetzt schon jeder Muskel schmerzt und die Couch eine viel zu große Verlockung darstellt.

Vielleicht kennst du das Bild, welches den Unterschied zwischen Plan und Realität sehr plastisch aufzeigt. Bei unserem Plan wünschen wir uns, dass es eine gerade Strecke ist, die stetig bergauf geht. Die Realität zeigt allerdings Wellen und Täler auf, die uns immer wieder in Zweifel, Unsicherheit und Ängste stürzen lässt.

Dranbleiben? Unbedingt!

Manchmal ist es einfach nur ein schlechter Tag. Das Tal geht vorüber. Auch wenn der Aufstieg schwierig und anstrengend ist.. Es geht bergauf. Und die Aussicht da oben ist einfach nur wunderbar.

Kurve #3: Der Abgrund

Und dann gibt es noch den Abgrund. Der einzige Weg führt bergab. Ohne je wieder bergauf zu gehen.

Sehr oft halten uns in dieser Situation unsere Gewohnheiten und Abhängigkeiten ab, eine Kehrtwendung zu machen. Wir wissen ganz genau, dass wir etwas verändern sollten – aber wir schaffen es nicht.

Sei es rauchen, zu wenig Bewegung, falsche Ernährung. Oder ständig mehr ausgeben, als du einnimmst. Oder eine Marketingstrategie vertrauen, die dich nur Geld kostet, aber zu wenig Umsatz generiert.

Vor einiger Zeit traf ich einen Unternehmer, der sehenden Auges dem Abgrund entgegen lief. Er hatte sich eine Business-Strategie zugelegt, mit der er innerhalb von vier Monaten nach Gründung seine Seminare voll ausgebucht haben musste. Ansonsten würde er den Laden wieder zusperren müssen. Auf jegliche Intervention meinerseits, sich doch alternative Wege zu überlegen, schüttelte er nur den Kopf.

Ich finde es ja wirklich toll, wenn jemand so überzeugt von sich und seiner Leistung ist. Und sich nicht so leicht von seinem Weg abbringen lässt. Wenn allerdings jemand schnurstracks in sein Verderben läuft, dann finde ich das weniger beeindruckend, sondern viel mehr naiv und dumm.

Naja, leider musste dieser Unternehmer tatsächlich zusperren. Mir tat es wirklich sehr leid, denn ich fand seine Idee hervorragend und sah sehr viel Potenzial darin.

Dranbleiben? Bitte nicht!

Der Weg führt nur in eine Richtung. Bergab. Und das ist ganz sicher nicht, wohin du möchtest.

Dranbleiben ist nicht immer die bessere Entscheidung. In vielen Fällen wäre Aufgeben die klügere Alternative. Sprüche wie „Erfolgreiche Menschen geben niemals auf“ sind vielleicht gut gemeint, können uns aber ins Verderben führen. Weil wir an Dingen, Situationen oder Menschen festhalten, die uns nicht nur nicht weiterbringen, sondern uns sogar massiven Schaden zuführen können.

Wie du nun feststellst, ob du lieber aufgeben solltest oder doch „Augen zu und durch“ die schlauere Variante ist, zeige ich dir in Teil 2.

Geh deinen Weg!

Silvia

P.S. Welche Erlebnisse hattest du mit diesen drei Kurven? Hast du schon mal viel zu lange in der Sackgasse ausgeharrt? Oder bist aus dem Tal ausgestiegen und es im Nachhinein bereut? Ich bin neugierig, was du zu erzählen hast und freue mich auf deinen Kommentar hier unten.

Quellen-Hinweis oberstes Bild.
Bildnummer:307389716
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