Glaubenssätze auflösen

Warum tun wir, was uns nicht weiterbringt?

Eine Kundin erzählte mir, dass sie jeden Abend stundenlang im Bett liegt und darüber nachdenkt, was sie noch alles zu tun hat. Wen sie anrufen muss, welche Deadlines sie erfüllen muss, welche Informationen sie noch sammeln und was sie auf Facebook posten soll. In Gedanken geht sie jeden Abend ihre lange To-do-Liste durch und ist die halbe Nacht wach. Sie hasst es, aber sie kann damit nicht aufhören.

Ein Freund machte sich eine Weile jeden Abend einen Plan für den nächsten Tag, nur um dann festzustellen, dass seine Soll-Aufstellung wieder nicht gehalten hat. Eine Tatsache, die für ihn ärgerlich und frustrierend war, trotzdem ließ er lange nicht davon ab.

Dann gibt es Menschen, die sich dazu zwingen, in der Früh jene Aufgabe zu erledigen, die sie am wenigsten mögen. Viele mit denen ich spreche, liegt diese Vorgehensweise zwar schwer im Magen, sie glauben aber, sie müssten es machen.

Welche Technik wendest du an? Und welche Nebenerscheinungen hast du dadurch? Frust, weil dein Plan nicht aufgeht? Schlaflose Nächte vor einer Produkteinführung, weil du eine bestimmte Verkaufszahl erreichen möchtest? Morgens die „Eat the frog“-Technik, nur damit unliebsame Arbeiten gleich in der Früh hinuntergewürgt werden.

Hat eine dieser Techniken und Grübeleien, die dir das Leben so schwer machen, dich dorthin gebracht, wo du letztlich sein möchtest? Hat es dir überhaupt geholfen?

Ich vermute nein. Denn schlaflose Nächte bringen dich nicht weiter. Auch keine Magenschmerzen vor einem Launch, keine To-do-Liste, die immer länger wird und kein Plan, der sowieso nicht eingehalten wird. Diese Dinge frustrieren, sie geben dir das Gefühl, nicht diszipliniert oder professionell genug zu sein und bereiten viel Stress.

Was aber wäre, wenn du das nicht mehr machst?

Diese Frage löst zumeist Entsetzen aus. Denn das Interessante ist, dass wir an Techniken und Gewohnheiten festhalten, weil wir glauben, sie würden uns bei unserer Arbeit unterstützen. Auch wenn sie eigentlich nicht wirken oder noch schlimmer, uns schaden, halten viele doch daran fest. Denn irgendwann haben sie gehört, dass eine To-do-Liste und ein Plan produktiver machen, dass sie sich mehr anstrengen müssen, um erfolgreicher zu sein, dass Arbeit kein Vergnügen ist und das Leben bestimmt kein Ponyhof.

Das Leben hält sich an keinen Plan

Es heißt nicht, dass Pläne, To-do-Listen, Strategien schlecht sind. Überhaupt nicht. Sie sind sogar manchmal sehr sinnvoll.

Die meiste Zeit aber sollen sie uns gar nicht bei der Arbeit unterstützen, sondern uns Sicherheit vortäuschen. Die Sicherheit, dass wir nichts vergessen. Die Sicherheit alles im Griff zu haben. Die Sicherheit, die Zukunft vorherzusagen. Die Sicherheit, Unvorhergesehenes abzuwenden.

Wie bei meinem Freund, der lange an den abendlichen Plänen festhielt. Er glaubte, er könne dadurch den Lauf der Dinge beeinflussen. Aber Pläne wiegen uns in einer falschen Sicherheit. Das Leben hält sich nicht daran. Kunden rufen an, obwohl das nicht am Plan steht. Eine Arbeit dauert länger, obwohl weniger Zeit dafür vorgesehen war. Ein Mitarbeiter wird krank – ja, das stand schon gar nicht am Plan.

Wir sind so sehr damit beschäftigt, Unsicherheiten aus dem Weg zu gehen, dass wir gar nicht mit der eigentlichen Arbeit beginnen.

Sicherheit ist uns wichtig, sie ist ein angeborener Reflex. Wir können viel für unsere Sicherheit tun: Ein Sparguthaben für magere Zeiten anlegen, ein berufliches Netzwerk aufbauen, indem wir uns gegenseitig unterstützen, Freunde zum Reden einladen. Das alles und noch viel mehr kann zu unserer Sicherheit beitragen.

Aber letztendlich müssen wir eines erkennen: Kein Tool, keine Technik, kein Mensch, kein Plan, keine Regel kann uns jemals Sicherheit geben. Diese Sicherheit muss in uns wachsen. Und diese Sicherheit kommt, wenn wir weniger Angst vor dem Unbekannten haben.

Planlos heißt ergebnisoffen

Ein Plan hat einen ganz bestimmten Zweck. Es soll uns nicht nur den Weg zeigen, es soll uns vor allem ein gewünschtes Ergebnis bestätigen. Fokussieren wir uns auf ein ganz bestimmtes Resultat, dann brauchen wir nur noch die einzelnen Schritte aufschreiben und alles ist gut. Viele Managementbücher lehren leider immer noch genau das. Wir brauchen smarte Ziele, wir müssen uns auf das Ergebnis konzentrieren, dieses auf einem Vision-Board festhalten, unsere Wünsche visualisieren und damit manifestieren.

Und wie bei jeder Technik. Manchmal funktionieren sie und manchmal nicht.

Das Problem mit einem vorgefertigten Ergebnis ist: Wir können es nicht steuern und nur zum Teil beeinflussen.

Eine Kundin von mir möchte ein Seminar abhalten. Da es das erste Mal ist, möchte sie gerne zumindest fünf TeilnehmerInnen dafür gewinnen. Seit Wochen dreht sie sich nun im Kreis, wie sie denn diese fünf TeilnehmerInnen gewinnen könne. Wen sie ansprechen müsse, welches Marketing sie bräuchte, welche Kooperationen sie benötige. Sie startet aber nicht. Warum nicht? Weil keines der Gedankenspiele ihre fünf Besucher garantiert. Sobald sie einen Weg gefunden hat, tischt ihr Verstand hundert Gründe auf, warum das möglicherweise doch der falsche Weg sein könnte.

Viele Menschen, mit denen ich arbeite, beklagen sich, dass sie zwar tausende Ideen haben, aber keine oder wenige davon umsetzen. Meine Vermutung ist dann immer, dass sie nicht auf die Sache, sondern auf das Ergebnis fokussiert sind. Ihr Einsatz soll sich lohnen. Sie wollen mit ihrer Idee den Durchbruch erlangen, viel Geld verdienen, in der Branche bekannt werden, in Zukunft keine lästigen Marketingauftritte mehr absolvieren müssen und vieles mehr.

Der Blick auf ein bestimmtes Ergebnis mag uns manchmal anspornen, in vielen Fällen jedoch hemmt es uns. Da wir vor allem damit beschäftigt sind, Wege zu finden, wie wir das gewünschte Ziel erreichen können, anstatt einfach voller Begeisterung zu starten.

Ohne Plan in ein Vorhaben zu gehen, scheint im ersten Moment abwegig und riskant. Es scheint viel zu viele Unsicherheiten in sich zu bergen. Tatsächlich aber eröffnet es neue Wege und Alternativen. Wir sind nicht starr an ein Ergebnis gebunden, sondern sind offen für neue Gelegenheiten und Sichtweisen.

Können wir Mut und Vertrauen aufbringen, werden wir mit zahlreichen Möglichkeiten und Chancen belohnt. Wir agieren flexibler und kreativer auf das, was gerade auf unserem Horizont erscheint. Je offener wir für jedes mögliche Resultat sind, umso leichter fällt es uns, einfach zu starten und steigern dadurch unsere Produktivität mit einem Schlag ins Unendliche.

Der nächste Schritt wird sich zeigen

Ken Roberts schreibt in seinem Buch „A rich man´s secret“, die Geschichte von Victor Truman, einem ganz normalen Menschen, der wie viele andere auf der Suche ist. Auf der Suche, was er tun könnte, was seine Berufung sei, womit er schnell erfolgreich werden könnte. Er besucht viele Seminare, liest und hört viel. Aber jeder seiner Versuche lässt ihn ärmer zurück. Sowohl in seiner Hoffnung, seiner Energie und natürlich auch in seiner Geldbörse.

Eines Tages, diesmal auf der Suche nach einem Golfball, stößt er auf einen Grabstein auf dem geschrieben steht: Take the first step – no more, no less – and the next will be revealed.

Dieser eine Satz verändert sein ganzes Leben. Denn ab da machte er genau das: Den ersten Schritt. Und dieser führte ihn in ein Leben, das er so bis dato noch nicht gekannt hatte.

Wir sind ausgezeichnet darin, mit jenen Dingen umzugehen, die unmittelbar vor uns liegen. Also mit dem, was jetzt zu tun ist.

Wir haben jedoch nur wenig Kapazitäten und sind darin nicht sonderlich gut, darüber nachzudenken, was morgen, übermorgen oder nächste Woche unbedingt zu tun ist. Sehr viel unserer mentalen Aktivität verschwenden wir jedoch genau darauf. Wir versuchen herauszufinden, was wir morgen, in einer Woche, in einem Monat, sogar in einem Jahr tun sollen. Wir denken über den übernächsten und überübernächsten Schritt nach, bevor wir überhaupt den Ersten gegangen sind.

Es spricht nichts dagegen viele Schritte vorauszudenken. Unser Gehirn kann das. Essenziell ist jedoch, uns immer in Erinnerung zu rufen, dass es ein Versuch unseres Verstandes ist, die Zukunft vorherzusagen. Diese Prognosen sind aber immer nur Schätzungen, Vermutungen und Fantasien und niemals die Wahrheit.

Schritt für Schritt weiterzugehen, ist eine Vorgehensweise, die zu 100 % verlässlich ist. Sie bringt uns weiter und weiter und unser Vorhaben wächst von Tag zu Tag. Allerdings – und damit tun wir uns besonders schwer – sie ist zu 98 % unvorhersehbar. Wir wissen nicht, was passieren wird. Wir wissen nicht wie der morgige Tag aussieht, welche neuen Gedanken und Ideen wir produzieren oder aber wie Menschen in unserer Umgebung reagieren.  Wir jedoch versuchen, alle unsere Vorhaben zu 100 % vorhersehbar zu machen. Ein Versuch, der zum Scheitern verurteilt ist.

Jeder Mensch ist bereit jetzt etwas zu tun, was immer das auch ist. Am produktivsten sind wir, wenn wir das erledigen, was jetzt gerade ansteht. Dafür gibt es unendliche Möglichkeiten. Wir könnten einen Kunden anrufen, einen Blog schreiben, an einem Projekt arbeiten. Aber wir könnten auch spazieren gehen, ein Buch lesen oder tief durchatmen. Wir haben eine eingebaute Intelligenz, die uns immer sagt, was jetzt gerade das Richtige und das Wichtigste ist. Auf diese Intelligenz können wir uns zu 100 % verlassen und das sollten wir auch tun.

Maya Angelou, eine der bedeutendsten afroamerikanischen Autorinnen des 20. Jahrhunderts, sagte einmal: „Du kannst nicht alle Ereignisse kontrollieren. Doch du kannst entscheiden, dich nicht von ihnen einschränken zu lassen.“

Wenn wir diese innere Entscheidung treffen und diesen Weg wählen, dann sind wir unseren Wünschen und Träumen ein erhebliches Stück näher gekommen.