Positives Denken

Positives Denken.
Im Normalfall läuft es so ab: Wir haben einen Wunsch und stellen uns unser Ziel in den buntesten Farben vor. Immerhin wurden wir über Jahre darauf getrimmt, dass wir alles erreichen können. Wir müssten es uns nur lebhaft vorstellen. Je prächtiger unsere Phantasien, umso größer die Wahrscheinlichkeit, als Sieger hervor zu gehen. 

Aber – neue Studienergebnisse zeigen – das führt uns nicht ans Ziel. Ganz im Gegenteil. Je mehr wir uns in positiven Phantasien verlieren, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir unsere Ziele erreichen.

„Im Leben gibt es etwas Schlimmeres als keinen Erfolg zu haben: Das ist, nichts unternommen zu haben.“ (Franklin Delano Roosevelt)

Positives Denken eine Lüge?

Auch ich war über Jahre davon überzeugt, dass Visionen einen essentiellen Erfolgsfaktor darstellen. Und plötzlich tauchen Studien von Gabriele Oettingen auf, die sie in ihrem Buch „Psychologie des Gelingens“ beschreibt. Du kannst dir vorstellen, dass ich zuerst einmal ziemlich überrascht über die Ergebnisse war und ich eine Weile brauchte, bis ich diese neuen Erkenntnisse verstanden und in meine Planung mit einbeziehen konnte.

Positives Denken war noch nie mein Fall. Denn ganz ehrlich – diese stets gut gelaunten Menschen, die immer mit einem Lächeln durchs Leben laufen, waren mir schon immer suspekt.

Das Leben ist nicht immer rosig. Es gibt schlechte Tage, es gibt Schicksalsschläge, es gibt Ungerechtigkeiten. Da jetzt zu sagen, denk positiv und alles wird gut – dem konnte ich noch nie etwas abgewinnen.

Aber Visionen? Tagträume? Phantasien?

Was soll daran schlecht sein?

Im Spitzensport sind Höchstleistungen gefordert. Und immer wieder gibt es Beispiele, dass positive Visionen sehr wohl ans Ziel führen können. Ich erinnere mich an ein Interview mit Hermann Maier, der nach schweren Verletzungen wieder an die Spitze gelangte. Auf die Frage, wie er den Weg zurück schaffte, gab er zur Antwort, er hätte sich im Geiste intensiv vorgestellt, wie er wieder ganz oben am Treppchen stehen würde. Und es hat funktioniert.

Was also soll an positiven Phantasien falsch sein?

In manchen Situationen helfen positive Phantasien

Positives Denken ist nicht per se falsch. Es gibt einige Situationen, in denen sie äußerst nützlich sein können.

  • Wenn wir nichts tun können

    In Situationen, in denen wir nichts sinnvolles tun können und abwarten müssen, können positive Phantasien hilfreich und sogar lebenswichtig sein. Du hast vielleicht das Buch von Viktor Frankl „… trotzdem ja zum Leben sagen“ gelesen. Ihm haben positives Denken und positive Visionen dabei geholfen, diese dramatische Zeit zu überleben. Im Geiste hatte er sich immer wieder vorgestellt, wie er nach seiner Zeit im Konzentrationslager vor einem großen Publikum steht und über seine Erfahrungen berichtet. Durch seine positiven Zukunftsvisionen ist es ihm gelungen, diese qualvolle Zeit, in der er nichts tun konnte, zu überstehen.

  • Wir können besser entscheiden

    Stell dir vor, du bekommst das Angebot einen Vortrag vor einem großen Publikum zu halten. Es würde deinen Ruf als Expertin unterstreichen und würde vielleicht Folgeaufträge bringen. DIE Chance.

    Also setzt du dich hin und träumst dir den Tag herbei. Du beobachtest dich, wie du langsam durch den Gang zum Podium schreitest. Begleitet von gespannten Blicken links und rechts. Je näher du der Bühne kommst umso mehr hörst du dein Herz zu klopfen, spürst deine Hände feucht werden und deine Schritte werden langsamer. Am liebsten würdest du auf den Absätzen kehrt machen und aus dem Saal rennen.

    In diesem Fall hat dir das Träumen aufgezeigt, dass Reden vor vielen Menschen vielleicht doch nicht so dein Ding ist. Du dich eigentlich davor fürchtest. Jetzt kannst du dich entscheiden, ob du trotzdem das Angebot annimmst und dich deiner Angst stellst. Oder dir Wege suchst, wie du auf andere Weise deine Bekanntheit steigerst und neue Aufträge gewinnst.

Wir schalten ab

Das war´s dann aber schon mit dem Nutzen vom positiven Denken. In den meisten Fällen, vor allem in jenen, in denen wir handeln sollten, reduzieren positive Phantasien unsere Aussicht auf Erfolg.

Studien haben gezeigt, dass Frauen, die abnehmen wollten und sich das Ergebnis in den prächtigsten Farben ausmalten, weniger Gewicht verloren, als jene, die keine so blühende Phantasie hatten. Studenten mit besonders positiven Erfolgsphantasien, waren weniger erfolgreich als jene, die nicht so positiv von sich geträumt haben.

Wie ist das zu erklären?

  1. Positives Denken entspannt uns zu sehr

    Physiologische Tests haben bewiesen, dass positives Denken unseren Blutdruck senken lässt. Wir entspannen uns.

    Wenn du gestresst bist, hast du mehrere Möglichkeiten zum entspannen. Du kannst einen Spaziergang machen, Sport betreiben oder dich massieren lassen. Oder aber du stellst dir die Erfüllung deiner Wünsche vor. Alles hat die gleiche Wirkung. Du entspannst dich.
    Wenn wir aber etwas erreichen wollen, müssen wir zur Tat schreiten.
    [bctt tweet=“Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir zur Tat schreiten. „]
    Und damit wir handeln können, benötigen wir Energie. Die geht uns aber durch ausschweifende positive Phantasien verloren.
  2. Positives Denken suggeriert, wir wären schon am Ziel

    Unser Unterbewusstsein kann zwischen Wirklichkeit und Phantasie nicht unterscheiden. Stell dir vor, wie du in eine Zitrone beißt. Unwillkürlich zieht sich dein Gesicht zusammen. Obwohl eine Zitrone weit und breit nicht in Sicht ist.

    Wenn wir uns also vorstellen, wir wären schon am Ziel, schaltet unser Körper auf Entspannungsmodus und genießt, was wir mental schon erreicht haben. Wir werden immer kraftloser und sind nicht darauf vorbereitet, was uns unserem Ziel in der Realität wirklich näher bringen würde: Das Handeln
  1. Positives Denken verzerrt unsere Weltsicht

    Du kennst sicher die Situation. Du möchtest dir ein neues Auto kaufen. Ein rotes. Und plötzlich tauchen an jedem Eck rote Autos auf. Nie zuvor ist dir aufgefallen, dass so viele rote Autos auf unseren Straßen herum flitzen. 

    Vielleicht möchtest du dir ein gutes Business aufbauen und siehst dich in Gedanken schon am Gipfel deiner Träume. Und tatsächlich – es ist möglich. Denn nun siehst du überall Beispiele von Unternehmer, die dieses Ziel schon erreicht haben. Und das kann zu Frust bei dir führen. Denn du hast dieses Ziel noch nicht erreicht, obwohl du es dir so bildlich vorgestellt hast. Und beginnst an dir zu zweifeln. Denn scheinbar schaffen es alle, nur eben du nicht.

    Was wir übersehen ist, dass durch unser positives Denken unsere Wahrnehmung verzerrt wird. Wir nehmen nur mehr positive Beispiele wahr und blenden negative einfach aus. Wir sehen nicht den anstrengenden Weg, den diese Menschen bereits hinter sich gebracht haben.

Und nun? War’s das jetzt mit dem Träumen?

Was soll das jetzt heißen? Dürfen wir uns unseren Phantasien nicht mehr hingeben?

Nein! Darfst du schon. Aber es geht darum, dass du dir das Beste aus deinen Phantasien heraus holst UND eines nicht ignorierst: Die Hindernisse, die dir auf dem Weg zu deinem Ziel begegnen können.

Denn gerade diese Hindernisse spornen uns an, aktivieren uns und versorgen uns mit der nötigen Energie, die wir zum Handeln benötigen.

Was also führt ans Ziel?

  1.  Dir das Beste vorstellen

    Wenn du einen Wunsch hast – abnehmen, Business aufbauen, eine Rede halten – dann darfst du, ja sollst sogar, dir diesen Wunsch in Gedanken positiv vorstellen. Schon alleine um zu überprüfen, ob du dieses Ziel auch tatsächlich erreichen möchtest. Und stelle dir dabei dein bestes Ergebnis vor. Was möchtest du erreichen? Wie möchtest du dich fühlen? Was soll dann anders sein?

  2. Deine Hindernisse wahrnehmen

    Im nächsten Schritt überlege dir, welche Hindernisse dir auf dem Weg zum Ziel begegnen könnten. Sei es das Stück Schokolade, dass dich verführen möchte. Oder die arbeitsreichen Stunden, die dir die Motivation am Durchhalten rauben? Oder das Lampenfieber, das dich auf der Bühne eiskalt erwischt?

    Und deine Wahrnehmung lässt zu, dass auch Negatives durch gelassen wird. Plötzlich haben nicht alle nur Erfolg, sondern sehr wohl auch Misserfolge.
  3. Einen guten Plan aufstellen

    Erstelle dir unter Berücksichtigung deiner Hindernisse einen Plan, der dir dabei hilft, deine Hürden zu meistern. Was tust du, wenn die Schokolade lockt? Wie motivierst du dich zum Weitermachen? Wie bekommst du das Lampenfieber in Griff?

  4. Handeln

    Ach ja, da war doch noch etwas. Statt träumen in Zukunft mehr handeln :-).

Das nächste Mal, wenn du einen Wunsch hast, stelle dir das Ergebnis also nicht zu rosig vor. Sondern rufe dir auch die Hindernisse ins Gedächtnis, die dir auf dem Weg zu deinem Ziel begegnen könnten. Du bist dann deinem Erfolg einen Riesenschritt näher.

Viel Spaß beim Ziele erreichen!

Silvia

[embed_popupally_pro popup_id=“21″]