Es darf auch leicht sein

Unmittelbar nach meiner kaufmännischen Schulausbildung habe ich mich dazu entschlossen, mich auf Bilanzbuchhaltung/Steuerberatung zu spezialisieren. In der Schule war ich in Buchhaltung wirklich eine Niete, habe aber trotzdem diesen Weg gewählt, weil ich eigentlich ganz gut mit Zahlen kann und ich in irgendeinem Gebiet eine Expertin werden wollte.

Die Ausbildung dauerte drei Jahre und war zeitweise sehr zäh. Steuern, Gesetze, Regeln sind nicht immer sehr spannend. Trotzdem blieb ich dran und bestand die Prüfung letztendlich auch mit Auszeichnung. Yeah! :-) Denn vor allem das letzte Jahr war eine reine Spielerei für mich.

Warum war es so leicht für mich?

Irgendwann im letzten Ausbildungs-Jahr ist mir damals der Knopf aufgegangen. Es hatte klick gemacht. Ich VERSTAND, wie ich eine Bilanz erstellen muss. Ganz gleich, wie schwer die Angaben waren, welche Fallen eingebaut waren – ich wusste, wie ich sie lösen konnte. Plötzlich ging es nicht mehr darum, die Bilanz fertigzustellen. Die größte Freude hatte ich am Lösen der Aufgabe. Am Tun. War das Werk erledigt, holte ich mir die nächste Aufgabe. Ich zögerte den Abschluss hinaus, variierte, spielte herum – nur damit ich länger zu tun hatte. Denn das war der Kick. Nicht das Ergebnis, sondern das Tun. Das war für mich eine Spielerei, eine Leichtigkeit. Da war Flow, Freude, Spaß. Die Bilanzerstellung ist mir in Fleisch und Blut übergangen. Du hättest mich in der Nacht wecken können, ich hätte sie gelöst. Und wenn du mir heute eine vorlegst, werde ich sie noch immer lösen können. Auch wenn es vermutlich etwas länger dauern wird, als damals.

Nun, diese Leichtigkeit, dieses Spielerische wünschen wir uns natürlich immer beim Tun.

Nur warum gelingt es uns nicht?

1. Wir wollen können ohne zu lernen

Wenn du mir im ersten Jahr eine Bilanz vorgelegt hättest, hätte ich mit fragenden Blicken draufgeschaut und wäre am Erstellen kläglich gescheitert. Natürlich – denn bevor ich das tun konnte, musste ich sehr viel Wissen aufnehmen. Ich musste üben und lernen. Viele, viele Stunden. Das war nicht immer einfach und lustig. Mir war aber klar, dass ich diesen Weg gehen musste.

In dieser Phase benötigen wir ein inneres Feuer, dass uns am Ball hält. Etwas Neues lernen, kann echt mühsam werden. Wir sehen wenig Ergebnisse und viel öfters fallen wir hin, als dass wir irgendeinen Sieg davontragen können. Wenn wir uns also nicht immer wieder weiter motivieren können, dann werden wir diese Lern-Phase nicht durchstehen.

Dieses innere Feuer hat aber einen riesengroßen, natürlichen Feind: Überzogene Erwartung.

Denn anstatt die Freude am Lernen zu haben, wären wir schon gerne am Ziel angelangt. Wir würden schon gerne das Endergebnis vor uns liegen haben, schon gerne alles wissen und alles können. Und das erzeugt Druck. Das erzeugt Stress. Das macht es mühsam und anstrengend. Das verjagt jegliche Freude und jede spielerische Herangehensweise.

Wir müssen UNS Zeit geben, etwas Neues zu lernen. Wir müssen Geduld mit uns haben. Und zu allererst müssen wir uns eingestehen, dass wir uns überhaupt in einer Lern-Phase befinden. Interessanterweise ist Lernen im Kinder- und Jugendalter etwas ganz Natürliches. Als Erwachsener glauben wir aber plötzlich, wir müssten alles sofort können und wissen. Aber das funktioniert leider nicht.

2. Wir wollen den Prozess beschleunigen

Ich weiß nicht mehr genau, wann es war, aber irgendwann hatte es bei mir Klick gemacht und der Groschen ist gefallen. Ab da war jede Bilanz eine reine Spielerei. Keine Anstrengung mehr, nur noch Spiel, Spaß und Freude.

Das ist der Lohn fürs Durchhalten. Für jeden von uns. Es kann gar nicht anders sein. So funktioniert unser System

Das Problem dabei ist: Wir wissen nicht, wann es klick macht :-)

Und das kann dauern.

Die Phase, bevor es klick macht, die kann jedoch zu einer wirklichen Qual werden.

Ich bin mir ganz sicher, du hast schon sowas mal erlebt. Wenn du das Gefühl hast, schon so viel getan zu haben, schon so viel zu wissen, endlich willst du Ergebnisse sehen – und trotzdem – es passiert nichts.

Es fühlt sich wie Stillstand an. Der Zweifel beginnt. Am liebsten willst du alles hinschmeißen. Du weißt schon nicht mehr, was du noch alles tun kannst.

Da heißt es warten und vertrauen.

Denn: Unser System benötigt Zeit um all das Wissen zu konsolidieren. Und das passiert unbewusst. Im Verborgenen. Deshalb ist diese Phase so schwer für uns zu ertragen. Weil wir die Vorgänge, die in uns ablaufen, nicht beobachten können. Nicht beeinflussen und auch nicht beschleunigen.

Wie bei einem Bauern, der seine Felder bestellt. Er kann sie pflegen, keine Frage. Aber dann muss er warten, bis sich die Früchte zeigen. Es bringt nichts, an den Pflanzen zu ziehen. Es bringt auch nichts, Pflanzen, die nicht austreiben, anzufeuern oder gar nachzusäen. Er hat seine Arbeit getan – jetzt heißt es warten und vertrauen, dass die Natur seine Arbeit macht. Und die tut.

Genau dieses Vertrauen benötigen auch wir, wenn wir etwas Neues lernen. Wir müssen darauf vertrauen, dass unser System all die Informationen, die wir ihm gegeben haben, verarbeitet und irgendwann ans Tageslicht bringt.

Und das wird passieren. Ganz sicher!

Das Spiel von säen – warten – ernten

Denn eines schönen Tages wachen wir auf – und plötzlich ist alles klar. Jeglicher Nebel hat sich gelichtet, wir wissen plötzlich. Wir VERSTEHEN. Alle Puzzle-Teile haben sich gefügt. Wir wissen ganz genau, was zu tun ist. Nichts ist mehr unklar.

Wenn das passiert, dann scheint die Sonne ein ganz klein wenig heller, die Farben sind leuchtender, die Welt steckt voller Möglichkeiten. Auf unserem Gesicht liegt ein Lächeln.

Und wir fragen uns einfach nur: Warum bitte, warum habe ich mich so unter Druck gesetzt, habe mich so gestresst, habe so an mir gezweifelt. Wenn doch alles gut ist und seinen Lauf nimmt.

Dieses Spiel von „säen – warten – ernten“ ist immer das Gleiche. Beim Bauer jahrein, jahraus – bei uns läuft es nicht ganz so geregelt, wie die Jahreszeiten. Manchmal dauert es zwei Jahre, wie bei meinem Bilanz-Wissen, manchmal geht es schneller, manchmal langsamer.

Wenn wir dieses Spiel nicht verstehen und mitspielen, dann wird es anstrengend. Dann erzeugen wir uns Druck und Stress, wo er zu vermeiden wäre. Wir geben viel zu früh auf, obwohl wir vielleicht knapp vor dem Durchbruch stehen.

Können wir aber das Spiel des Lebens erkennen und darauf vertrauen, dann haben wir plötzlich viel weniger zu tun, weil wir wissen, dass ein Großteil der Arbeit von unserem System im Verborgenen geleistet wird. Dann schwimmen wir mit dem Leben mit und befinden uns im Flow. Dann wird plötzlich alles ganz leicht.

Erzähl mir:

  • Gibt es eine Situation, in der du dir gerade Druck machst, weil du schon gerne das Endergebnis hättest, weil du ungeduldig bist, weil es viel schneller gehen sollte.
  • Was könntest du anders tun, jetzt wo du weißt, wie das Spiel geht.