Intuitives Business, Silvia Chytil

Wir alle tragen Überzeugungen und Glaubenssätze mit uns spazieren. Manche sind lockerer und leichter in eine neue Richtung zu drehen, manche sind steif und festgefahren. Im Prinzip ergeben all unsere Überzeugungen, Vorstellungen und Meinungen das Gerüst, wie wir die Welt sehen. Andere Menschen haben ein anderes Netz aus Überzeugungen und sehen daher die Welt auch komplett anders.

Unsere Überzeugungen sind wie die Faszien in unserem Körper. Faszien sind wie eine zweite Haut, die sich in hüllenartigen Strukturen durch den gesamten Körper ziehen. Sie liegen direkt unter der Haut, umspannen Sehnen, Muskeln, Bänder, umschließen die Wirbelsäule und auch die Organe. Es ist die elastische Hülle, die unserem Körper seine anatomische Form gibt.

Hast du dich schon einmal auf eine Faszienrolle gelegt und langsam dein Bein oder deinen Rücken darüber gerollt? Und hast du dabei auch schon mal solche Schmerzen erlebt, dass du am liebsten laut aufschreien und davonlaufen möchtest. Falls du es noch nie probiert hast, probiere es mal. Es ist ein faszinierendes Erlebnis 😉.

Unser Netz an Überzeugungen ist die Hülle, die unserer Welt eine Form gibt und sie auch in Form hält. All unsere Erlebnisse werden blitzschnell gegen unsere Ansichten geprüft und in Gut oder Böse, Richtig oder Falsch eingeteilt.

Was eine beeindruckende Eigenschaft unseres Gehirns ist, da wir nicht jedes Mal darüber nachdenken müssen, wie wir in unserer Welt agieren und reagieren sollen. Sind wir der Überzeugung, dass große Hunde gefährlich sind, werden wir einen großen Bogen um sie machen, sobald sie uns am Weg entgegenkommen. Wir brauchen nicht darüber nachdenken, sondern wir handeln automatisiert.

So wertvoll diese Fähigkeit ist, so unglaublich schmerzvoll kann sie sein. Genauso wie verklebte Faszien einem vor Schmerz den Atem rauben können, so qualvoll empfinden wir es, wenn jemand oder wir selbst eine unserer tiefsten Überzeugungen angreift.

Wie Überzeugungen entstehen

Überzeugungen und Meinungen sind angelernt. Je nachdem in welcher Familie, Gesellschaft, in welchem Land und mit welchen Freunden wir aufwachsen und welche Erlebnisse wir als Kinder und Heranwachsende hatten, werden unsere Überzeugungen in die eine oder andere Richtung gefestigt.

Ich trug lange Zeit die Überzeugung in mir, dass Marketing und Verkaufen schlecht ist. Als ich 16 Jahre alt war, ich war allein zu Hause, klopfte es an unserer Tür. Davor stand eine Frau Mitte zwanzig und wollte mir ein Zeitschrift-Abonnement verkaufen. Meine erste Reaktion war „Nein, brauchen wir nicht.“ Aber dann begann die geschulte Dame, mir ihre Leidens-Geschichte zu erzählen. Sie bräuchte unbedingt das Geld, sie wäre schwanger und müsse die Miete bezahlen. Sie muss noch soundso viel Abonnements abschließen, sonst würden ihr die Kosten vom Gehalt abgezogen. Und ich könnte ja auch sofort danach wieder stornieren, wichtig ist nur, dass sie zuerst einmal einen Abo-Abschluss hatte.

Na ja, du kannst es dir sicher vorstellen, nach einigen Minuten emotionalem Gerede, hielt ich einen unterschriebenen Vertrag in Händen. Als mein Vater am Abend nach Haus kam, war er überhaupt nicht begeistert und wurde ziemlich wütend. Wie ich mich dazu überreden lassen konnte und ich solle das gefälligst morgen sofort stornieren. Was ich auch tat, und damit war die Sache eigentlich auch abgeschlossen.

Eigentlich. Denn bei mir hinterließ dieses Ereignis bleibende Spuren und die Überzeugung, dass Verkaufen gleichzusetzen mit „Überreden“ und „über den Tisch ziehen.“ ist. Wenn man nur die richtigen Knöpfe drückt, dann kann man jedem alles verkaufen.

Diese Überzeugung war für mich lange heilsam, denn seit damals gehe ich jedem aus dem Weg, der auch nur den Anschein machte, mir irgendwas verkaufen zu wollen.

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem mir diese angelernte Überzeugung plötzlich im Wege stand. Nämlich als ich mich selbstständig machte und nun selbst verkaufen und Marketing betreiben musste. Nur wie sollte ich das tun, wenn ich der festen Meinung war, dass Verkaufen nur bedeutete, jemandem etwas aufschwatzen, was er/sie eigentlich gar nicht braucht oder will.

Der Schutzmechanismus

Unser gesamtes System und vor allem unser Gehirn hat nur eine einzige Aufgabe: Uns am Leben zu erhalten und uns vor Gefahren zu beschützen. Und unsere Überzeugungen stellen dazu das mentale Gerüst dar.

Passiert etwas, was unseren Überzeugungen widerspricht, heult unsere innere Alarmanlage auf und schreit „Achtung, Gefahr!“ Wir werden in den Angriffs- oder Flucht-Modus geschleudert, das Herz schlägt schneller, Hormone werden ausgeschüttet, der Magen zieht sich zusammen, der ganze Körper ist angespannt. Das fühlt sich unangenehm an und oberstes Ziel ist es, uns aus der „Gefahrenzone“ zu bringen.

Bei mir, und ich kenne das von vielen meiner Kund:innen, hat „verkaufen“ und „Marketing“ genau diese Reaktion ausgelöst. Kaum bewegte ich mich in diese Richtung, tauchten Gedanken auf, wie „Verkaufen ist schlecht. Du willst doch niemanden über den Tisch ziehen. Das macht dich zu einem schlechten Menschen.“ Und mit diesen Gedanken zog sich mein Brustkorb zusammen, ich bekam schwerer Luft und meine Schultern verspannten sich. Erlösung erhielt ich erst, wenn ich mich von diesem Thema wieder abwandte und mich mit weniger „gefährlichen“ Themen befasste, zum Beispiel an meiner Webseite basteln. Das war ungefährlich, mein Körper zeigte keinerlei Reaktion. Ich war in Sicherheit.

Sosehr dieser Schutzmechanismus, der uns in Sicherheit bringen möchte, eine geniale Funktion unseres Gehirns ist, so fatal können die Auswirkungen sein.

Denn wir glauben, dass wenn wir uns gut fühlen, sprich keine körperlichen Stress-Anzeichen spüren, dann ist alles in Ordnung. Spüren wir jedoch Stress-Symptome, eben wie Zusammenziehen von Brust und Magen, erhöhter Puls, Anspannung im Schulter- und Nackenbereich, erhöhte Schweißproduktion, dann glauben wir, wir wären wir in Gefahr und müssten uns in Sicherheit bringen.

Nur leider ist das nicht der Fall.

Sie geben unserer Welt einen Sinn

All unsere Überzeugungen, Vorstellungen und Meinungen sind angelernte Denk-Muster. Wenn du X machst, passiert Y. Sehr einfache Gleichungen, die unser Gehirn aus Erfahrungen in der Vergangenheit aufstellt und in die Gegenwart und Zukunft transferiert.

Und nochmals, diese Muster ergeben unglaublich viel Sinn. Wenn ich schreibe „Sonntag treffe am ich fahre Mit die innenstadt In und freunde.“ dann ist das für dich nur sinnloses Kauderwelsch. Wenn ich jedoch schreibe „Am Sonntag fahre ich in die Innenstadt und treffe Freunde.“ und beachte auch noch die Groß- und Kleinschreib-Regel, dann weißt du, was ich meine.

Aber diese zwei Sätze unterscheiden sich einzig und allein durch ein vorgegebenes Muster, das wir in der Schule gelernt haben. Die deutsche Sprache hätte auch ganz anders aufgebaut sein können, was uns dann auffällt, wenn wir versuchen, deutsche Sätze 1:1 in eine andere Sprache zu übersetzen. Dann formulieren wir Wort-Gefüge, die für uns zwar gut klingen mögen, jeder Nativ-Speaker sich aber verwundert an den Kopf greift und krampfhaft versucht, den Sinn dahinter zu verstehen.

Genauso ergeben alle unsere Überzeugung, wie die Welt sein soll, für uns einen Sinn. Oder haben ihn mal ergeben. Denn irgendwann einmal treffen wir auf eine Überzeugung, die veraltet und verstaubt ist. Wir halten aber, meist aus Unwissenheit, trotzdem an ihr fest. Oft klammern wir uns daran, als ob unser Leben davon abhinge. Was sich manchmal tatsächlich so anfühlt, weil so starke körperliche Reaktionen auftreten können, wenn wir eine davon in Frage stellen. Dann reagieren wir mir Antworten, wie „Das war immer schon so. So bin ich nun mal.“ und meinen damit, dass wir uns nicht verändern (können).

Überzeugungen sind nicht starr

Was aber nicht stimmt. Denn wir verändern uns ständig. Wir sind nicht mehr die Kinder, die schuldbewusst vor ihren Eltern standen oder die Jugendliche, die aus lauter Empathie ein Abo abschloss, das keiner braucht.

Aber oft bleiben unsere Überzeugungen gleich. Die schleppen wir, wie einen schweren Rucksack von einem Jahr ins nächste und wagen es nicht, diese Last endlich abzulegen. Und da wir nicht an ihnen zweifeln, sondern sie als gegeben hinnehmen, schauen sie so stabil aus. „So war ich immer schon, so bin ich heute, so bleibe ich mein ganzes Leben lang.“

Sie sind aber nicht so stabil, weil wir „so sind“, sondern weil wir glauben, dass wir so sind.

Sie sagen nichts über uns, andere Menschen oder die Welt aus und sind schon gar keine absolute Wahrheit.

Alte Überzeugungen werden zum Problem, wenn wir sie niemals in Frage stellen und nicht versuchen, neue Verbindungen zu erschaffen. Dann bleiben sie starr, steif und stabil. Und können damit große Konflikte auslösen, sowohl im Außen als auch in uns selbst.

An der Überzeugung vorbeigehen

Das müssen aber so nicht sein. Denn auch wenn unser Gehirn fleißig vor sich hin feuert und eine Welt vorspielt, die es so gar nicht existiert, besitzen wir die Fähigkeit, diese Verbindungen aufzuweichen und neue zu erschaffen.

Das geht am besten mit unserer Intuition, die sich an diesen angelernten Gedanken-Konstrukten vorbei schwindelt. Sie bleibt von den konditionierten Mustern unbeeindruckt und unbeeinflusst und gibt uns Zeichen, was sich tatsächlich gerade in und vor uns abspielt.

Nehme ich meine angelernte Verkaufs-Phobie, dann weiß ich tief drinnen, dass ich da überreagiere und dass das eigentlich nicht meine Wahrheit ist. Meine innere Weisheit sagt mir ganz genau, dass es da noch viele andere Möglichkeiten gibt, wie ich Verkaufen gestalten könnte.

Hören wir in diese Richtung, dann weiten wir unser Bewusstsein. Wir reagieren nicht automatisiert, sondern halten zuerst mal inne, lauschen in uns hinein und vergrößern unsere Reaktionszeit. Unser Gehirn schreckt dann auf, stoppt den Automatismus und erkennt: „Ah, offensichtlich hat sich da etwas verändert, scheinbar ist da gar keine Gefahr mehr, also muss ich etwas Neues lernen und beginne schon mal damit, eine neue Bahn anzulegen.“

Wenn ich mich heute mit Verkaufen und Marketing beschäftige, dann taucht zwar noch immer mein antrainierter Schutzmechanismus auf und will mich warnen, aber ich habe gelernt, dass ich darauf nicht reagieren muss. Ich kann innehalten, die erste Welle an unangenehmen Gefühlen an mir vorbeiziehen lassen und mir dann in Ruhe überlegen, wie ich gerne meine Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen möchte.

Was dann herauskommt, fühlt sich immer stimmiger und authentischer an und wenn ich ab jetzt öfter in diese Richtung blicke, dann erzeugt mein Gehirn neue neuronalen Verbindungen, überschreibt die alten, bis diese (vielleicht) irgendwann verschwinden. Und falls nicht, dann bleiben sie einfach als eine Erinnerung abgespeichert, die ein negatives Gefühl in mir erzeugt. Nicht mehr und nicht weniger.

Weiche deine Überzeugen auf

Wo hast du Überzeugungen, die in dir ein unangenehmes Gefühl erzeugen, du aber intuitiv weißt, dass sie gar nicht mehr der Wahrheit entsprechen? Taucht auch bei dir der Gedanke auf „Ja, so bin ich halt?“ und eigentlich weißt du, dass dir diese Überzeugung keinen guten Dienst mehr erteilt?

Dann probiere doch mal die zwei Schritte aus:

1. Reagiere nicht sofort auf den ersten Impuls, sondern nimm dir etwas Zeit und öffne dein Bewusstsein. Was passiert? Zeigen sich neue Möglichkeiten oder alternative Handlungsweisen auf?
2. Höre auf deine Intuition. Was will sie dir sagen? Versuche das unangenehme Gefühl auszuhalten (es ist nur eine neuronale Reaktion) und warte, was danach kommt. Du wirst überrascht sein, welche Klarheit und Erleichterung dich „auf der anderen Seite“ erwarten.

Alles Liebe