Heute saß ich wieder einmal in der Früh auf meiner Terrasse, trank meinen Kaffee und ich fühlte mich ganz wunderbar. Meine Gedanken schweiften hin und her und plötzlich fühlte ich eine Schwere in mir. Ich dachte an die Vergangenheit, an Dinge, die ich damals falsch machte und anders hätte machen sollen. Mir fielen immer mehr Situationen ein und meine anfängliche Heiterkeit verwandelte sich blitzschnell in eine Traurigkeit und Unzufriedenheit. Ich machte mir innerlich Vorwürfe und bekam wieder einmal die Bestätigung, was ich in meinem Leben nicht schon alles falsch gemacht hatte.
Möglicherweise kennst du solche Situationen auch. Du sitzt irgendwo in Frieden oder fertig für die Nachtruhe in deinem Bett und plötzlich tauchen sie auf. Die Gedanken, die dir sagen, wie schlecht du bist oder warst, was du nicht alles falsch machst oder gemacht hast. Und schon fühlst du dich schlecht.
Ich mag diese Gedanken nicht. Ich mag auch das damit verbundene Gefühl nicht.
Und trotzdem tauchen sie immer wieder auf.
Nur was kann ich, was können wir, gegen diese Gedanken und gegen diese Gefühle tun?
Und müssen wir dagegen überhaupt etwas tun?
Denn, was wenn alles eigentlich perfekt ist und alles richtig ist, genauso wie es ist?
Das ist eine Frage, die mein Verstand gleich negiert. Wie kann alles richtig und perfekt sein? Schau dich doch um, wie viele Fehler du in der Vergangenheit gemacht hast und immer noch tust. Das kann ganz sicher nicht richtig und perfekt sein. Und schau dich in der Welt um. Was da passiert, kann nicht alles richtig und gut sein!
Aber schauen wir uns das mal von einer anderen Seite an. Lassen wir mal den Inhalt beiseite und schauen, wie unser Gehirn arbeitet.
Denn unser Gehirn funktioniert nämlich sehr einfach und es funktioniert perfekt!
Wenn wir unseren Fokus auf Fehler und falsch legen, dann kramt unser Gehirn in den Tiefen unserer Erinnerung und präsentiert uns alles, was wir (und Andere) scheinbar falsch gemacht haben. Es macht seinen Job perfekt: Wir suchen Fehler und unser Gehirn präsentiert uns Fehler.
Geben wir unserem Gehirn die Aufgabe, nach allem zu suchen, was in unserem Heim die Farbe Rot hat, bekommen wir von unserem Verstand genau das dargeboten. Rote Dinge springen uns förmlich ins Gesicht und in Gedanken tauchen alle roten Gegenstände auf, die sich sonst noch irgendwo in unserem Haus oder in unserer Wohnung befinden. Suchen wir in Gedanken nach schwarzen Gegenständen, schon sagt uns unser Gehirn, was bei uns zu Hause alles Schwarz ist.
Unser System funktioniert einfach perfekt. Es bringt uns immer das, wonach wir suchen. Suchen wir nach Fehlern, findet es Fehler. Suchen wir nach dem Schönen, findet es das Schöne.
So einfach. So perfekt.
Werfen wir noch einen Blick auf richtig und falsch.
Wenn ich in gedanklich meiner Vergangenheit krame – oje, oje, oje, was habe ich da alles falsch gemacht. Ja, da kommt Traurigkeit auf, manchmal auch Scham, vielleicht auch Wut und Ärger. Aber schaue ich genauer darauf, dann erkenne ich, dass ich damals sehr wohl dachte, das Richtige zu tun. Ich wusste es nicht besser, ich dachte, ich hätte mein Bestes getan und gegeben.
Ist es nicht in Wahrheit immer so, dass wir immer versuchen unser Bestes zu geben. Dass wir das tun, wovon wir in diesem Moment denken, dass es für uns oder unsere Umwelt richtig und gut ist.
Im Nachhinein mag es falsch gewesen sein, aber in diesem Moment?
Somit gibt es eigentlich es kein richtiges oder falsches Handeln. Natürlich gibt es ein moralisch und gesetzlich „Richtig“, aber Handeln selbst ist immer neutral. Unsere Handlungen entspringen immer der momentanen Überzeugung, das Richtige zu tun. Wir tun nicht bewusst etwas Falsches.
Richtig oder falsch wird es immer nur durch die Geschichte, die wir uns dazu erzählen. Durch die Ergebnisse, die wir erzielen oder die Reaktionen, die es in uns oder anderen hervorruft. Und die verändert sich. Von Situation zu Situation, aber auch über die Jahre hinweg.
Vieles, was in der Vergangenheit richtig war, ist heute falsch. Ein sehr einfaches, aktuelles Beispiel: Ohne Gesichtsmaske im Supermarkt geht heute gar nicht. Das ist heute absolut falsch. Aber vor einem Jahr? Ist es im Rückblick falsch, nur weil es heute falsch ist? Nein, natürlich nicht.
Es ist die Geschichte rund um unser Handeln, die etwas richtig und falsch wirken lässt, niemals das Handeln selbst. Das Handeln ist immer das, was wir in der gegebenen Situation, abhängig von unseren jeweiligen Gedanken in diesem Moment, für richtig erachten.
Den Blick im Nachhinein darauf zu werfen und zu denken: „Das war falsch“, bringt außer ein negatives Gefühl gar nichts. Denn erstens können wir es ohnehin nicht mehr verändern und zweitens war es zu 100 % genau das, was wir damals als richtig erachtet haben.
Wir können nicht falsch handeln. Das ist wirklich unmöglich.
Der Gedanke scheint dir vielleicht jetzt absurd, das kann ich sehr gut verstehen. Aber wenn du dich ein wenig damit beschäftigst, dann wirst du erkennen, dass jeder Mensch (dich und mich eingeschlossen und auch deine Kinder, deine Eltern, dein(e) PartnerIn, deine KundInnen, deine Nachbarn, …) IMMER genau das tut, was sie in dem jeweiligen Moment für richtig halten. Und einzig und allein unser Verstand eine Geschichte dazu erfindet, die das Tun im Nachhinein als richtig oder falsch bewertet. Das allerdings ist eben nur eine Geschichte und sagt nicht, dass es die Wahrheit ist.
Falls also das nächste Mal ein „falsch“ in deinem Kopf auftaucht, dann erinnere dich daran, dass
- A) dein Gehirn immer nur jene Aufgabe erfüllt, die du ihm stellst und
- B) richtig und falsch immer nur eine Story ist, die du im Nachhinein auf dein Handeln (oder auf das eines Anderen) überträgst.
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