Unterschiedliche Funktionsweisen

Ganz sicher erkennst du dich in allen 4 Charakteren wieder. Mal ist der eine ausgeprägter, mal der andere, je nach Tagesverfassung, Stimmung oder auch Rolle, in der du dich gerade befindest.

Taylor geht davon aus, dass wir alle 4 Teile in uns haben und so arbeiten, wie sie nun mal arbeiten und das wenig mit „uns selbst“ zu tun hat. Es sind einfach die Funktionsweisen, auf die wir konditioniert und trainiert sind und die auch in uns abgespeichert, in unserer DNA, sind.

Alle 4 Teile ergeben Sinn und sind für unser menschliches Dasein wichtig. Wir wollen gedanklich in die Vergangenheit und Zukunft reisen können und wollen auch im Moment präsent sein. Wir wollen die gesamte Gefühlspalette spüren, aber auch bedingungslose Liebe erfahren. Wir wollen uns manchmal in Raum und Zeit verlieren, komplett in Flow sein und dann aber wieder pünktlich zu einem Treffen erscheinen.

Keine der 4 Funktionen ist besser oder schlechter, gut oder böse, wünschenswert oder zu eliminieren.

Die Frage ist viel mehr, arbeiten diese 4 Teile zusammen, ergeben sie ein harmonisches Miteinander oder kämpfen sie gegeneinander? Können wir alle Auswirkungen in uns verstehen und akzeptieren oder wollen wir Teile von uns loswerden oder hadern damit?

Von links nach rechts und wieder zurück

Wenn ich mir meine Vergangenheit ansehe, dann war ich Zeit meins Lebens in der linken Gehirnhälfte zu finden. Ich habe analysiert, geplant, strukturiert. Ich hatte es so gelernt und es hat mir Sicherheit gegeben. Die Kehrseite davon war, dass ich viele Zweifel und Ängste mit mir herumgetragen und viel Stress und Druck erfahren habe, weil meine linke Gehirnhälfte (mein Verstand) sehr dominant war.

Selten war ich einfach nur „im Moment“, der Gedanke daran war Furcht einflößend. Was sollte ich im „Jetzt“, wenn es doch noch so viel zu tun gab. Ich wollte immer recht haben, weil ich dachte, dass ich dann professioneller und souveräner wäre. Meine Gefühle von Wut und Ärger hatten mich oft überrannt und ich wusste nicht, wie ich mit dieser Gefühls-Intensität umgehen sollte. Zum Schutz habe ich mich oft zurückgezogen, was mich zwar kurzfristig von den unangenehmen Gefühlen befreite, aber nicht sicherer und selbstbewusster machte.

Erst in den letzten Jahren habe ich mich der „rechten Gehirnhälfte“ zugewendet, für mich ist das die Intuition oder inneres Wissen. Ich habe gelernt, mit Nichtwissen umzugehen, habe mich mehr und mehr in den Flow begeben und gelernt andere Menschen und auch mich so zu lieben, wie sie sind und wie ich bin.

Während ich mich mehr und mehr meiner Intuition annäherte, gab es eine Zeit, in der ich alles, was Jill Bolte Taylor mit der linken Gehirnhälfte verbindet, abgelehnt und mich von der „linken“ auf die „rechte“ Seite geschlagen habe.

Verurteilte ich früher das „einfach in den Tag hinein leben“, verurteilte ich später Pläne und Strukturen. Rannte ich früher von einem Ziel zum nächsten, ließ ich mich dann nur noch von einem Projekt zum nächsten treiben, ohne über Ergebnisse nachzudenken.

Ich dachte, das wäre die Lösung, aber letztendlich hatte ich nur ein Konzept (zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen) gegen ein anderes (mach das, was dir Spaß macht) ausgetauscht.

Ein harmonisches Miteinander

In der letzten Zeit habe ich erkannt und gelernt, und darauf weist auch Jill Bolte Taylor in ihrem Buch hin, dass wir erst dann ein ausgeglichenes Leben führen können, das sich stimmig und rund anfühlt, wenn wir alle Teile in uns erkennen, akzeptieren und lieben.

Es geht nicht um entweder oder, sondern um ein sowohl als auch. Wir haben als Menschen die Fähigkeit zu planen und das Geschenk des Flows in uns abgespeichert. Wir können uns mit allem verbunden fühlen und zwischen dir und mir unterscheiden.

Das eine ist nicht besser als das andere, nicht wertvoller oder richtiger. Erst wenn wir die gesamte Pracht in uns erkennen und verstehen, sehen, dass jeder Charakter eine wert- und sinnvolle Funktion erfüllt, können wir ein authentisches, ausgeglichenes und erfolgreiches Leben führen.