Ich war noch nie gut im Verkaufen. Gar nicht so sehr, weil ich nichts verkaufte, sondern weil ich mich dabei immer mies fühlte. Ich stand ständig unter Druck, hatte das Gefühl, ich würde manipulieren oder fühlte mich unsicher, weil ich dachte, ich oder meine Leistung wären nicht gut genug.
Da ich davon ausging, dass diese Angst etwas über meine Fähigkeiten aussagte, versuchte ich alles, um besser zu werden. Ich las Bücher, leistete mir teure Kurse und hielt mich an einen genauen Leitfaden. Das half aber überhaupt nichts. Das unangenehme, angespannte Gefühl blieb.
Bis ich irgendwann das Handtuch hinwarf und mir dachte: OK, ich kann das nicht. Bei mir kauft keiner. Niemand. Niemals wieder!
Und dann passierte etwas sehr Eigenartiges. Ich verkaufte! Wie aus dem Nichts tauchten Personen bei mir auf, die ich gar nicht auf dem Radar hatte. Ich führte ein Gespräch mit ihnen und sie sagten „Ja“. Und wenn sie es nicht taten, war das auch für mich okay. Denn ich rechnete ja sowieso nicht damit.
Dass das eigentlich ein Trick war, mit dem ich mich selbst ausspielte, wurde mir natürlich erst viel später klar. Aber er funktionierte und das war das Wichtigste.
Unser System will uns beschützen
Wenn wir Stress oder Angst empfinden, dann schauen wir selten genauer hin, sondern bleiben an der Oberfläche hängen und vermuten: Ja, wenn ich mich so schlecht fühle, dann wohl, weil ich das nicht kann. Und das kann alles sein. Bei mir war es das Verkaufen. Bei dir mögen es vielleicht öffentliche Auftritte sein, dich vor der Kamera zeigen, mit großen Unternehmen Verträge abschließen, Seminare mit großen Gruppen abhalten, Einzelgespräche mit Menschen führen, die scheinbar erfolgreicher sind, als du.
Da wir nicht lange mit Stresssituationen umgehen können (sie benötigen viel zu viel Energie), versucht unser System uns immer zu beschützen. So rasch wie möglich möchte es unseren erhöhten Blutdruck und beschleunigten Herzschlag wieder auf ein Normalmaß bringen. Das geht natürlich am besten, wenn wir diese Situation komplett meiden. Zumindest glauben wir das.
Ganz sicher hast du das auch schon bei dir beobachtet: Dir verursacht irgendwas Stress und somit suchst du Wege, wie du diesen umgehen kannst. Zur Beruhigung erzählst du dir dann ein paar Ausreden: Ich kann das sowieso nicht, also brauche ich das gar nicht versuchen. Oder: Mir reicht auch weniger Umsatz, ich brauche ja nicht so viel zum Leben und alle meine Fixkosten sind gedeckt. Oder: Mit dieser Kundin wollte ich eh nicht arbeiten, das wäre nur mühsam geworden. Oder: Nein, ich begebe mich nicht in diese Marketing-Schlacht, ich will authentisch bleiben.
Allerdings ist das eine ziemlich fiese Taktik unseres Verstandes. Es liefert uns eine sehr plausible Erklärung, warum und wie wir eine unangenehme Situation vermeiden können.
Das Problem aber ist: Unser System will nicht die Situation vermeiden, sondern den erhöhten Energie-Aufwand. Nur erkennen wir selten, den tatsächlichen Auslöser dieser Angst oder des Stresses . Und setzen damit an der total falschen Stelle an.
Es ist nicht die Situation, sondern deine Gedanken dazu
Wir glauben, wenn eine Angst oder ein unangenehmes Gefühl auftaucht, dann sagt das etwas darüber aus, ob wir etwas gut oder schlecht können.
Aber das ist ein Irrtum! Es ist nicht die Situation, die uns in Panik versetzt, sondern was wir darüber denken. Ein Gefühl, das in uns hochkommt, ist immer ein Gradmesser über die Art der Gedanken, die wir in diesem Moment haben.
- Ich denke, ich bin schlecht im Verkauf und will niemanden über den Tisch ziehen. Also fühle ich mich unsicher und unfähig.
- Ich denke, ich könnte mich vor einer großen Gruppe blamieren. Mein Herzschlag erhöht sich, meine Hände beginne zu schwitzen – ich empfinde Angst.
- Ich denke, dass ich vor der Kamera keinen guten Auftritt hinlege und möglicherweise zu stammeln beginne. Mein Hals schnürt sich zusammen, meine Stimme versagt und ich fühle Stress und Druck in mir aufsteigen.
Da wir im Normalfall die Verbindung herstellen: unangenehme Situation –> schlechtes Gefühl, versuchen wir die Situation zu vermeiden.
Aber es ist niemals die Situation! Es sind immer die Gedanken, die wir darüber haben.
Ein kleiner Selbstversuch:
Denke an eine für dich sehr unangenehme Situation. Ein Launch. Ein Verkaufs-Gespräch. Reden vor einer großen Gruppe oder der Kamera. Die Absage eines Kunden. Ein zu geringer Umsatz. Negative Kritik. Ein dickes, fettes Minus auf deinem Konto. Oder was auch immer es bei dir ist.
Geh wirklich tief in diese Situation, stelle sie dir so deutlich wie möglich in Gedanken vor.
Was fühlst du? Stress, Druck, Angst, Unbehagen? Ein Druck im Magen, das Atmen fällt dir schwer. Dein Brustkorb verengt sich?
Spüre ruhig noch ein wenig hinein. Geh noch tiefer, noch weiter rein.
Iiiiiihhhh – unangenehm?!
Nur – wie kann das sein? Du sitzt gerade irgendwo und liest diesen Text. Weit und breit kein Kunde, keine Kamera, kein Verkaufs-Gespräch, keine große Gruppe.
Und trotzdem spürst du das unangenehme Gefühl.
Vom Kopf her wissen wir vielleicht, dass es nicht die Situation ist und trotzdem tappen wir immer wieder in diese Falle und erkennen nicht, dass es einzig und allein unsere Gedanken sind, die wir über die Situation haben.
Verändere deinen Fokus
Wenn es also nicht die Situation ist, wie kann ich dann meine Gedanken oder Überzeugungen dazu verändern? Das ist vielleicht eine Frage, die als Nächstes bei dir auftaucht. Die schlechte Nachricht zuerst: Du kannst deine Gedanken nicht verändern. Die gute Nachricht: Es geht viel einfacher.
Mir half dabei der kleine Trick, dass es mir irgendwann egal war, ob ich etwas verkaufe oder nicht. Bei mir ging es sogar noch weiter. Ich ging davon aus, dass niemand jemals wieder etwas bei mir kaufen wird.
Das Spannende war, dass sich mein Gedankengang veränderte von „Ich muss unbedingt verkaufen, aber bitte so, dass ich nicht manipuliere“ hin zu „Es ist egal, was ich tue, es wird eh nicht gekauft, also brauche ich mich gar nicht anstrengen“.
Plötzlich bekam das alles eine Leichtigkeit. Denn anstatt ständig den Fokus darauf zu haben, ob ich gut und richtig verkaufe, konnte ich mich auf mein Gegenüber konzentrieren. Ich konnte zuhören, Fragen stellen, mich auf ein gutes Gespräch und eine tiefe Verbindung einlassen. Plötzlich ging es nicht mehr um mich, meine Leistung und das Ergebnis, das ich erzielen wollte, sondern es ging nur noch darum, ob ich dem Menschen, der mir gegenübersaß, helfen konnte oder nicht. Der Fokus war weg von mir und meiner Verkaufskunst, hin zu der Person und ihren Problemen.
Natürlich veränderte das alles. Ich brauchte die Situation nicht mehr meiden, sondern ich konnte ihr offen und interessiert begegnen. Es ging nicht mehr ums Verkaufen, sondern ums Verbinden und Zuhören.
Wenn sich also das nächste Mal Angst, Unsicherheit, Unbehagen in dir ausbreiten, dann erkenne, dass es nicht die Situation ist, die dir zu schaffen macht, sondern die Gedanken, die du darüber hast. Oft genug löst das allein schon die Anspannung in dir. Und falls das auch nichts nutzt, dann probiere es gerne mit meinem Trick aus: Denke dir einfach, dass Menschen sowieso bei dir nicht kaufen werden – niemals, nie! Oder du dich auf alle Fälle blamieren wirst – immer, ganz gleich, was du sagst oder tust. Oder, dass sowieso niemand deine kreativen Ergüsse lesen oder hören möchte – ganz gleich, wie sehr du dich bemühst oder wie geistreich sie sind. Oder, … – vervollständige den Satz, mit der größten Angst, die dich umtreibt und gehe davon aus, dass das eh immer passieren wird, ganz gleich, was du tust.
Fazit:
Situationen, Menschen, Gegenstände können niemals ein Gefühl bei dir auslösen. Weder ein gutes, noch ein schlechtes. Einzig und allein die Gedanken, die du in diesem Moment hast, haben diese Macht und diese Kraft. Versuche aber nicht deine Gedanken zu verändern, denn das funktioniert nicht. Oft reicht es, wenn du erkennst, dass es nicht die Situation, sondern deine Gedanken sind. Sollte das tatsächlich nicht funktionieren, dann trickse dich einfach aus.
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