Zwei Monate im Jahr übernachten mein Mann Bert und ich in unterschiedlichen Zimmern. Nicht weil der Haussegen schief hängt, sondern weil sich die Frösche in unserem Biotop lautstark zu Wort melden. Als wir unser Haus bauten, fanden wir es sehr romantisch, einen Naturteich unmittelbar vor der Terrasse zu haben. Wir wussten zwar, dass sich Frösche ansiedeln werden, hatten allerdings nicht einmal im Ansatz eine Vorstellung, welchen ohrenbetäubenden Lärm diese kleinen Tiere im paarungsfreudigen Zustand machen können.
In den ersten Jahren war das laute Quaken für uns beide große Belastung. Wir konnten wählen zwischen offenem Fenster, frischer Luft und Lärm oder geschlossenem Fenster und Hitze. Im vierten Jahr überlegten wir den Teich gegen einen Pool auszutauschen. Letztlich gewann allerdings doch das Biotop, es war und bleibt doch ein optischer Augenschmaus.
Und dann passierte etwas Eigenartiges: Mit dieser Entscheidung legte sich bei mir ein Schalter um. Mich störten die Frösche plötzlich nicht mehr. Natürlich hörte ich sie nach wie vor, aber in mir entstand kein Ärger oder Groll mehr darüber. Seitdem schlafe ich friedlich, auch bei offenem Fenster, während mein Mann wutentbrannt aus dem Schlafgemach flieht und diese paar Wochen in einem anderen, ruhigeren Zimmer verbringt.
Vermutlich hast auch du so einen Trigger, der dein Blut in Wallung bringt. Der morgendliche Stau, der bevorstehende Launch, der cholerische Chef, die zickige Nachbarin.
Unterscheide zwischen Struktur und Inhalt
Aber das alles ist nur Inhalt und austauschbar. Die Kunden, der Chef, die Flugzeuge, die Nachbarn, das Geld, der Job oder eben auch die Frösche. Wir glauben, wenn die Welt da draußen anders wäre, dann wäre meine eigene, kleine Welt besser, friedlicher und angenehmer.
Nur die Dinge da draußen sind nicht wirklich Ursache für unser Wohlbefinden. Wir sagen zwar oft: Jemand drückt bei uns einen Knopf. Und schon richtet sich auch unsere gesamte Aufmerksamkeit ausschließlich auf das Ding, die Person oder Situation, die vermeintlich für unsere schlechten Gefühle verantwortlich sind. Schauen wir aber genauer hin, dann erkennen wir, dass Ärger, Wut, Stress, Ängste, Druck ausschließlich in uns entstehen. Der Inhalt wechselt, und ist von Mensch zu Mensch, von Situation zu Situation, von Stimmungslage zu Stimmungslage unterschiedlich. Solange wir uns jedoch ausschließlich mit dem Inhalt beschäftigen, was wir in den meisten Fällen tun, kommen wir nicht zum eigentlichen Kern des Übels.
Viel spannender und wirkungsvoller ist es nämlich, wenn wir tiefer gehen und die Struktur unseres Ärgers (Wut, Angst, Stress, …) erkennen. Und das ist ein automatisierter, innerer Prozess, der bei uns Menschen immer gleich abläuft. Allerdings, solange er uns nicht bewusst ist, befindet er sich unter unserer Wahrnehmungsgrenze.
Stell dir ein Buch vor. Die Geschichte ist der Inhalt, dieser wechselt von Buch zu Buch. Autor, Sprache, Größe, Umfang, Geschichte, auch das ist Inhalt und ist variabel. Die Struktur jedoch eines Buches, Titel–Anfang–Mitte–Ende, bleibt immer gleich.
Der innere Ablauf (die Struktur) in uns Menschen
- Gedanke
Es beginnt immer mit einem Gedanken (bewusst oder unbewusst), den wir im Moment haben: Das darf nicht sein, so kann man nicht mit mir umgehen, das hat katastrophale Folgen, das habe ich nicht verdient, das ist unfair oder Ähnliches.
- Gefühl
Als Nächstes mischt sich ein Gefühl dazu. Wir fühlen uns schlecht, ungerecht oder falsch behandelt, haben das Gefühl in einer Falle zu sitzen und fühlen uns machtlos. Wut, Angst, Ärger, Sorgen oder Stress machen sich breit. Es ist jedoch nicht nur das Gefühl. Jedem Gedanken folgen auch unsere Körperwahrnehmungen: Pochendes Herz, trockene Zunge, Druck im Magen und vieles mehr.
Kurz gesagt: Wir spüren unsere Gedanken
- Verhalten/Reaktion
Unser Verhalten hängt von unserer aktuellen Gefühlslage ab. Fühlen wir uns schlecht reagieren wir anderes, als wenn wir uns gut fühlen.
Und vollkommen richtig, davor mag etwas im Außen passiert sein, muss aber nicht der Fall sein. Denk nur an die schlaflosen Nächte, in denen es keinen unmittelbaren Auslöser im Außen gibt.
Unsere Reaktionen zielen immer auf unsere Gedanken ab, sowohl bewusste als auch unbewusste. Wären es die Frösche, dann müsste ich nach wie vor Ärger verspüren. Alle Menschen auf dieser Welt müssten sich ganz fürchterlich über Frosch-Gequake aufregen. Tun sie aber nicht. Weil es nicht die Frösche sind, sondern das, was wir im Moment über die Frösche denken und welche Geschichte wir uns dazu erzählen.
Habe ich sie früher als Quälgeister abgestempelt, finde ich sie heute süß. Nicht die Frösche haben sich geändert, sondern meine innere Einstellung und meine Gedanken dazu. Und dadurch verändern sich meine Gefühle und wie ich darauf reagerie.
Wir leben in einer Inside-Out Welt
Der Ablauf, die Struktur ist immer, immer gleich! Auch wenn wir das Gefühl haben, dass irgendetwas da draußen unser negatives (und auch positives) Gefühl auslösen könnte, sind es doch immer die Gedanken, die wir jetzt, in diesem Moment, dazu haben.
Noch bis vor einigen hundert Jahren dachten die Menschen, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Obwohl wir heute wissen, dass das nicht der Fall ist, sprechen wir nach wie vor von Sonnenauf- und -untergang und nehmen es auch so wahr. Obwohl wir wissen, dass das nicht stimmt, spielt uns unser System weiterhin diese Illusion vor.
Bei unseren Gefühlen ist es genau dasselbe, nur da ist es uns selten bewusst, und wir tappen nach wie vor in die Falle. Wir glauben, etwas im Außen könnte ein Gefühl und Verhalten bei uns auslösen. Es wirkt so real, dass wir kaum auf die Idee kommen, es wäre anders. Und doch ist es eine Illusion. Ein grandiose zwar, aber doch eine Illusion. David Bohm sagte: «Gedanken erschaffen unsere Realität und sagen dann, sie waren es nicht.»
Gemeint ist, dass jedes Gefühl, dass in uns entsteht und jede Wahrnehmung, die wir haben, durch Gedanken entstehen, die wir in diesem bestimmten Moment haben. Jede Art der Unsicherheit, die wir verspüren, entsteht von Moment zu Moment durch die Kraft der Gedanken. Sie sind wie Wellen im Ozean, mal sind sie stark, mal kaum spürbar. Das, was wir erleben, ist immer ein Gedanken-kreiertes Erlebnis.
Auch wenn es sich sehr real anfühlt und wir es nicht immer erkennen können, gestalten wir unsere Erfahrungen doch immer von innen nach außen.
Das nächste Mal, wenn Ärger, Stress, Wut, aber auch Freude in dir entsteht, halte kurz inne und frage dich:
- Kann ich die Gedanken erkennen, die ich unmittelbar davor denke oder die mich zu diesem Thema beschäftigen?
- Tritt Ärger, Wut, Stress, Freude immer in dieser Situation auf oder gibt es auch Ausnahmen? Woher kommen diese Ausnahmen?
- Wenn es das Außen wäre, müssten nicht alle Menschen die gleichen Gefühle dazu haben? Warum haben sie es nicht?
Ganz sicher ist es nicht einfach, diese neue Sichtweise einzunehmen. Es ist ein Paradigmenwechsel, der eine Weile benötigt, bevor er sich tatsächlich in dir festigt. Aber ganz gleich, wie lange es dauert, es lohnt sich immer wieder in diese Richtung zu schauen.
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